Rechnungshof zeigt „beträchtliches Überförderungspotenzial“ bei COFAG-Hilfen auf
Mit der COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) schuf das Finanzministerium binnen weniger Tage eine neue Fördergesellschaft zur Abwicklung von finanziellen COVID-19-Maßnahmen für Unternehmen. Der Bund als Alleineigentümer stattete diese mit 19 Milliarden Euro aus. In seinem heute veröffentlichten Bericht „COFAG und Zuschüsse an Unternehmen“ beurteilt der Rechnungshof ihre Errichtung und die Besetzung der Leitungs- und Kontrollorgane.
Der zweite große Teil des Berichts widmet sich den Zuschussinstrumenten, konkret ihrer Ausgestaltung und Abwicklung. Vielfach zeigen die Prüferinnen und Prüfer auf, wie Überförderung hätte vermieden werden können. Alleine die Anwendung eines gestaffelten Berechnungsmodells beim Fixkostenzuschuss I führte zu höheren Auszahlungen in einer Bandbreite von 101 Millionen Euro bis 117 Millionen Euro. Und: Das Fachwissen des Ministeriums wurde nicht umfassend genutzt. Überprüft wurde der Zeitraum März 2020 bis Juni 2021.
Das Kerngeschäft der ABBAG – Abbaumanagementgesellschaft des Bundes (ABBAG) liegt im Bereich der Bankenabwicklung und Vermögensverwertung. Mit einer Gesetzesnovelle vom 15. März 2020 wurde ihr Unternehmensgegenstand erweitert: Und zwar um die Abwicklung von finanziellen COVID-19-Hilfsmaßnahmen. Am 27. März 2020 wurde die COFAG schließlich im Auftrag des Finanzministers von der ABBAG gegründet.
Fachexpertise der Verwaltung einbeziehen
Für den Rechnungshof ist nachvollziehbar, dass die Bundesregierung rasche Entscheidungen treffen musste, ging es doch darum, nachhaltig Schäden an der Wirtschaftsstruktur zu vermeiden. Das Kabinett des Finanzministers koordinierte – ohne das Fachwissen und die Erfahrung aus dem Ministerium einfließen zu lassen – die Vorbereitung und Umsetzung der COVID-19-Hilfen für Unternehmen. Der Rechnungshof kritisiert, dass eine neue Förderinstitution geschaffen wurde, ohne die Willensbildung und Entscheidungsfindung im Finanzministerium nachvollziehbar zu dokumentieren und ohne Alternativen abzuwägen. Allerdings ist dies auch in einer Krisensituation zum Nachweis der Recht- und Ordnungsmäßigkeit geboten.
Der Rechnungshof empfiehlt daher dem Finanzministerium, die Federführung für die Vorlage von Gesetzesentwürfen, wie im Bundesministeriengesetz vorgesehen, unter Beiziehung der hauseigenen Fachexpertise im Ressort selbst wahrzunehmen. Dazu gehört auch, Gesetzesvorschläge zu erarbeiten. Ebenso wären Aufträge und Weisungen des Ministers an Gesellschaften des Bundes federführend vom Ressort selbst vorzubereiten.
Verflechtungen zwischen COFAG und ABBAG
Mit der Besetzung der Organe der COFAG auf Vorschlag des Finanzministers kam es zu Verflechtungen, vor allem zwischen der ABBAG beziehungsweise der Abbaugesellschaft HETA ASSET RESOLUTION AG einerseits und der COFAG andererseits. Dies betraf beispielsweise einen Geschäftsführer der COFAG, der zugleich die Geschäftsführung der ABBAG innehatte. Das führte auch zu praktischen Problemen: Bei der ersten ordentlichen Generalversammlung der COFAG im März 2021 durfte er seine eigene Entlastung als Geschäftsführer, die Entlastung seines Aufsichtsrates und die Höhe der Vergütung für Aufsichtsräte nicht beschließen.
Der Bericht thematisiert zudem den Umgang mit möglichen Interessenkonflikten im COFAG-Aufsichtsrat. Diese waren nicht ausreichend geregelt – etwa bei Aufsichtsratsmitgliedern, die zugleich Organfunktionen in Immobilienunternehmen innehatten.
Bereits im Vorfeld der Gründung nahmen Personen, die später Positionen in der Geschäftsführung und im Aufsichtsrat der COFAG innehatten, maßgeblich Einfluss auf die Gestaltung ihrer späteren Rahmenbedingungen.
Vergütung des Aufsichtsrates
Um die Höhe der Jahresvergütung des Aufsichtsrates zu ermitteln, beauftragte die ABBAG eine Studie. Diese zog als Vergleichsgruppe österreichische Banken mit einer Bilanzsumme von acht bis 20 Milliarden Euro heran. Aus Sicht des Rechnungshofes ist das allerdings keine angemessene Vergleichsgruppe. Denn: Die COFAG war weder auf dem Markt tätig, noch hatte sie finanzielle Risiken zu tragen. Kritisch beurteilt der Rechnungshof, dass ein externer Protokollführer für die Sitzungen des Aufsichtsrates beauftragt wurde. Von April bis September 2020 fielen dafür rund 125.000 Euro an.
Rund 21 Millionen Euro für Dienstleistungen
In Summe war mit Stand Juni 2021 für die COFAG umgerechnet eine Arbeitskapazität von deutlich mehr als 200 Vollzeitstellen im Einsatz. Insgesamt fielen für den Zukauf von Beratung und externen Dienstleistungen von März 2020 bis Mitte 2021 rund 21 Millionen Euro an; bis Jahresende 2021 waren es laut COFAG knapp 36 Millionen Euro. Dabei kaufte die COFAG auch Expertise im Bereich des Förder- und Beihilfenrechts zu, über die professionelle Förderstellen üblicherweise selbst verfügen.
Der Rechnungshof empfiehlt dem Finanzministerium, bei Auslaufen der finanziellen Maßnahmen zu prüfen, welche Leistungen – nach Art, Umfang und über welchen Zeitraum – von der COFAG noch zu erbringen sind und die Gesellschaft nach Abschluss der Aufgaben aufzulösen.
Verträge für Geschäftsführer verbesserungswürdig
Ausschreibung und Bestellung der Geschäftsführung entsprachen nicht dem Stellenbesetzungsgesetz. Ein Geschäftsführer der COFAG war zugleich auch Geschäftsführer der ABBAG. In seinem Anstellungsvertrag mit der COFAG wurde die Konzernklausel der ABBAG nicht berücksichtigt. Die Klausel hatte ihn eigentlich dazu verpflichtet, Organfunktionen in Konzern- und Beteiligungsgesellschaften – im vorliegenden Fall die Geschäftsführung der COFAG – ohne gesonderte Vergütung auszuüben. Auch seine Arbeitszeiten in den Gesellschaften waren nicht aufeinander abgestimmt.
Förderdesign verursachte bis zu 117 Millionen Euro Mehrauszahlungen
Der Fixkostenzuschuss I im Antragszeitraum 16. März 2020 bis 15. September 2020 war als Stufenmodell mit gestaffelten Ersatzraten ausgestaltet: Bei einem Umsatzausfall von 40 bis 60 Prozent wurden 25 Prozent der Fixkosten ersetzt; bei über 80 Prozent Ausfall sogar 75 Prozent. Bereits im Juni 2020 hatten Wirtschaftsforscher auf negative Anreize dieses Modells hingewiesen, etwa dass Unternehmen ihre wirtschaftlichen Aktivitäten drosseln könnten, um in eine höhere Förderstufe zu gelangen.
Für den Zeitraum 16. September 2020 bis 30. Juni 2021 wurde der Fixkostenzuschuss I von einem neuen Fördermodell, dem Fixkostenzuschuss 800.000 abgelöst. Die Höhe der Zuschüsse wurde ab dann im prozentualen Verhältnis zum Umsatzausfall berechnet. Bei diesem Nachfolgemodell waren die geltend gemachten Umsatzausfälle nahezu gleich verteilt. (siehe Abbildung „Fixkostenzuschuss“)
Gemäß einer Simulation des Rechnungshofes hätte eine Ausgestaltung des Fixkostenzuschusses I ohne Staffelung, so wie er im Nachfolgemodell Fixkostenzuschuss 800.000 praktiziert wurde, eine um rund 101 Millionen Euro bis rund 117 Millionen Euro niedrigere Antragssumme ergeben. Die zunächst praktizierte Staffelung im Fixkostenzuschuss I verursachte somit Mehrauszahlungen von bis zu rund 117 Millionen Euro.
Umsatzersatz: Zuschuss ohne Schadensnachweis
„Vermeidbares Überförderungspotenzial“ orten die Prüferinnen und Prüfer des Rechnungshofes beim Lockdown-Umsatzersatz für November und Dezember 2020. Dieses Instrument ermöglichte Unternehmen bei Zugehörigkeit zu einer bestimmten Branche, Zuschüsse zu erlangen, ohne einen finanziellen Schaden nachweisen zu müssen.
Der Rechnungshof empfiehlt dem Finanzministerium, bei der Festlegung der Förderbedingungen von pauschalen Annahmen über die wirtschaftlichen Auswirkungen externer Faktoren möglichst abzusehen. Von den Förderwerbern wäre der finanzielle Schaden darzustellen, um systematische Überförderungen zu vermeiden.
Beträchtliches Überförderungspotenzial bei Konzernen
Grundsätzlich konnte jedes konzernmäßig verbundene Unternehmen für sich Zuschüsse beantragen. Die maximal erzielbare Zuschusshöhe im Konzern hing daher von der Zahl der antragsberechtigten Unternehmen ab. Eine Konzernstruktur mit mehreren selbstständigen Unternehmen bot Vorteile, weil jede Filiale mit eigener Rechtspersönlichkeit als einzelnes Unternehmen Zuschüsse bis zum Höchstbetrag beanspruchen konnte. Die Zuschüsse verteilten sich – infolge der fehlenden Konzernbetrachtung – ungleichmäßig auf ansonsten annähernd vergleichbare Konzernunternehmen. Dies konnte die Treffsicherheit der Zuschüsse beeinträchtigen, beziehungsweise zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Außerdem konnten Unternehmen COVID-19-Zuschüsse kombinieren und zudem auch Kurzarbeitsbeihilfen in Anspruch nehmen. Die Prüferinnen und Prüfer sehen in diesem Zusammenhang bei konzernmäßig verbundenen Unternehmen ein beträchtliches Überförderungspotenzial.
Der Rechnungshof empfiehlt: Bei Festlegung der Förderbedingungen für finanzielle Unternehmenshilfen wäre eine Konzernbetrachtung mitzuberücksichtigen.
Treffsicherheit erhöhen durch konkrete Nachweise der Einbußen
Für die Gewährung von Zuschüssen wurden teilweise vereinfachende beziehungsweise pauschale Annahmen herangezogen. Dabei wurde nicht nach Größe des Unternehmens unterschieden. Diese Vorgangsweise war allerdings nur für Kleinst- und Kleinunternehmen zweckmäßig. Ihre geringere Widerstandsfähigkeit in Krisen rechtfertigte rasche und unkomplizierte Hilfen. Für mittlere und große Unternehmen hingegen wäre es zumutbar und auch zweckmäßig gewesen, die finanziellen Einbußen anhand prognostizierter Ergebnisberechnungen konkret nachzuweisen. Dies hätte die Treffsicherheit der Zuschüsse verbessert und mögliche Überkompensationen verhindert.
COFAG-Geschäftsführung genehmigte fast 700.000 Anträge
Die COFAG und die Finanzverwaltung wickelten die Förderungen ab. Die Datenanalyse- und Evaluierungseinheit des Finanzministeriums plausibilisierte die Angaben der Unternehmen auf Basis der Steuerdaten. 79 Prozent der Zuschussanträge wurden als ordnungsgemäß bewertet. Diese konnten somit von der COFAG genehmigt und ausbezahlt werden. Bis Ende Juni 2021 genehmigten die beiden Geschäftsführer der COFAG 693.614 Förderanträge, davon waren 221 Anträge aufsichtsratspflichtig, weil sie über der Betragsgrenze von 800.000 Euro lagen. Da ab März 2021 – außer beim Fixkostenzuschuss I – keine Konzernbetrachtung erfolgte, hatte die Geschäftsführung nur für diese sehr geringe Anzahl von Fällen, vor der Genehmigung der Anträge, die Zustimmung des Aufsichtsrates einzuholen. Der höchste bis Ende Juni 2021 an ein Unternehmen ausbezahlte Zuschussbetrag lag übrigens bei 13,94 Millionen Euro.
Podcast Trust: Staffel 3 | Episode 3 - COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes (COFAG)
Presseinformation: COFAG und Zuschüsse an Unternehmen
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- 10,502.7 KB
- Umfang:
- 220 Seiten
Bericht: COFAG und Zuschüsse an Unternehmen
Der RH überprüfte im Jahr 2021 das Bundesministerium für Finanzen und die COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) sowie die ABBAG –Abbaumanagementgesellschaft des Bundes (ABBAG). Prüfungsziel war die Beurteilung der Errichtung der COFAG und der Besetzung der Leitungs- und Kontrollorgane nach den Maßstäben der Corporate Governance für öffentliche Unternehmen sowie der Organisation und Finanzierung der COFAG.
Weiters überprüfte der RH die Zuschüsse an Unternehmen hinsichtlich ihrer inhaltlichen Gestaltung, ihres quantitativen Umfangs und – soweit bereits möglich – ihrer Wirksamkeit sowie die Effizienz und Raschheit der Förderabwicklung. Dementsprechend gliedert sich der Bericht in zwei Teile: COFAG (Teil I) und Zuschüsse an Unternehmen (Teil II). Überprüft wurde der Zeitraum März 2020 bis Juni 2021.