Lehrpersonalmangel: Strategie Klasse Job weiterverfolgen und Unterrichtsqualität sicherstellen

23. Mai 2025 – Der hohe fachfremde Einsatz von Landeslehrpersonen soll reduziert werden

7000 Überstunden durch Lehrer - Copyright: Foto: iStock.com/skynesher

Bereits 2009 prognostizierte das Bildungsministerium einen Lehrpersonalmangel ab dem Schuljahr 2018/19, sollte nicht entsprechend darauf reagiert werden. Doch umfangreiche und systematische Maßnahmen blieben aus. Zudem entstand mit der längeren Dauer der Lehramtsstudien durch die Reform 2013 eine Lücke von einem Jahr bei den Studienabschlüssen. Erst im Herbst 2022 startete das Bildungsministerium mit der Ressortstrategie Klasse Job eine umfangreiche Initiative, um dem Mangel entgegenzuwirken. Der tatsächliche Lehrpersonalmangel wurde vor allem durch Mehrdienstleistungen, fachfremdes Unterrichten sowie durch Anstellung von nicht in vollem Ausmaß qualifiziertem Lehrpersonal kompensiert. Im heute veröffentlichten Bericht „Lehrpersonaleinsatz“ wurden das Bildungsministerium, die Länder Oberösterreich und Tirol sowie die jeweiligen Bildungsdirektionen geprüft. Geprüft wurden die Schuljahre 2018/19 bis 2023/24.

Klasse Job: Großes Interesse an Quereinstieg

Als eines von acht Teilprojekten der Ressortstrategie Klasse Job wurde der Quereinstieg in den Lehrberuf in allgemeinbildenden höheren Schulen auch für Absolventinnen und Absolventen eines fachverwandten Studiums erweitert. Ursprünglich ging das Ministerium von 300 Bewerbungen pro Schuljahr aus, deren pädagogische, fachliche und persönliche Eignung auch durch die Zertifizierungskommission zu überprüfen war. Nach ihrer Einrichtung im Schuljahr 2023/24 bewarben sich insgesamt 5.012 Personen, davon wurde rund die Hälfte zertifiziert. Jedoch: Von diesen 2.426 zertifizierten Personen unterrichteten im Schuljahr 2023/24 lediglich 696. Im Zeitraum 2022 bis 2023 fielen insgesamt Auszahlungen in Höhe von 604.300 Euro für Quereinstieg Klasse Job an.

Der Rechnungshof empfiehlt, sicherzustellen, dass sich zertifizierte Personen vermehrt bewerben und langfristig als Lehrerinnen und Lehrer tätig werden. Und er mahnt eine kosteneffiziente Umsetzung des Modells ein. Zudem kritisierte er, dass die rechtliche Qualität und Verbindlichkeit der Zertifikate nicht endgültig geklärt waren. Insgesamt empfiehlt der Rechnungshof, die Ressortstrategie Klasse Job weiterzuverfolgen, um künftig Maßnahmen zur Deckung des Lehrpersonalbedarfs rechtzeitig und zielgerichtet zu definieren und umzusetzen sowie dabei die Sicherstellung der Unterrichtsqualität zu forcieren.

Prognosemodell gab Mangel nicht wieder

Verbesserungsbedarf gab es beim Prognosemodell für das benötigte Lehrpersonal. Prognosen zur Lehrfächerverteilung konnte das Bildungsministerium nur für den Bundesschulbereich berechnen. Eine exakte und hochwertige Prognose über einen voraussichtlichen Lehrpersonalmangel im Pflichtschulbereich für einzelne Unterrichtsgegenstände sowie für bestimmte Schulen und Schularten fehlte ebenso wie Prognosen über die Anzahl der Absolventinnen und Absolventen von Lehramtsstudien.

Kompensation von Lehrpersonalmangel

Im Schuljahr 2023/24 schrieb das Bildungsministerium insgesamt 6.846 Stellen aus, dem gegenüber standen im Schuljahr 2022/23 5.602 Absolventinnen und Absolventen aller Lehramtsstudien mit Bachelor- und Masterabschluss. Diese Differenz sieht der Rechnungshof kritisch.

2013 wurde die Ausbildung für Pädagoginnen und Pädagogen reformiert; die "PädagogInnenbildung NEU" brachte auch eine Verlängerung der Studiendauer mit sich und hatte damit zur Ausweitung des Lehrpersonalmangels möglicherweise beigetragen. Mit einer Änderung der Lehramtsstudien im Jahr 2024 kam es wiederum zu einer Verkürzung des Bachelorstudiums für das Lehramt.

Zu Beginn des Schuljahres 2023/24 gab es bundesweit für 267 ausgeschriebene Lehrpersonalstellen keine Bewerbungen. Die Länder Salzburg, Oberösterreich und Tirol waren am stärksten – insbesondere die Volks- und Mittelschulen – betroffen.

Im Verhältnis zur Gesamtanzahl aller Lehrerinnen und Lehrer österreichweit – 126.993 waren es im Schuljahr 2023/24 – war die Anzahl der offenen Stellen gering. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass der tatsächliche Lehrpersonalmangel vor allem durch Mehrdienstleistungen, fachfremdes Unterrichten sowie durch Anstellung von nicht in vollem Ausmaß qualifiziertem Lehrpersonal kompensiert wurde. Der Rechnungshof kritisiert die mangelnde Nachhaltigkeit dieser Vorgehensweise.

Mehrdienstleistungen im Umfang von rund 7.000 Vollzeitbeschäftigten

Im Schuljahr 2022/23 ersetzten Österreichs Lehrerinnen und Lehrer mit Mehrdienstleistungen rund 7.000 Vollzeitbeschäftigte. Mehrdienstleistungen wurden dabei vor allem von Bundeslehrpersonen erbracht. Der Rechnungshof sieht ein Risiko verstärkter Belastung einzelner Lehrpersonen. Zudem könnte das erhebliche Ansparen von Zeitguthaben den Lehrpersonalmangel hinausschieben und somit letztlich (erneut) verschärfen. Neueinstellungen von Lehrpersonal sollten daher nicht als letztes Mittel zur Deckung des Lehrpersonalbedarfs gesehen werden.   

Hohe Teilzeitquote bei Lehrerinnen

Insbesondere seit dem Schuljahr 2020/21 stieg die Teilzeitquote bei den Lehrerinnen und Lehrern:  Österreichweit waren im Schuljahr 2023/24 39,5 Prozent teilzeitbeschäftigt, wobei die Teilzeitquote bei Frauen (43 Prozent bei Bundeslehrpersonen, 38 Prozent bei Landeslehrpersonen) deutlich höher war als bei Männern (26 Prozent bei Bundeslehrpersonen, 22 Prozent bei Landeslehrpersonen). Der Rechnungshof sieht in einer Reduktion der hohen Teilzeitquote ein Potenzial zur Verringerung des Lehrpersonalmangels. Verbindliche Strategien zur Reduktion von Teilzeitquoten sind unabdingbar.

Lehrpersonal mit Sonderverträgen vor allem in Volks- und Mittelschulen

Lehramtsstudierende mit einem Studienfortschritt unter 120 ECTS-Punkten oder Personen gänzlich ohne Lehramtsausbildung erhielten einen Sondervertrag. Lehramtsstudierende mit Sondervertrag in Oberösterreich verfügten im Schuljahr 2023/24 über einen Studienfortschritt von durchschnittlich 68 ECTS-Punkten, wobei drei Personen mit 0 ECTS-Punkten, also am Beginn ihres Lehramtsstudiums, Anstellung fanden.

Neun Prozent aller Lehrerinnen und Lehrer hatten im Schuljahr 2023/24 einen Sondervertrag. Insbesondere den Anstieg von Landeslehrpersonen mit Sondervertrag um 64 Prozent österreichweit beziehungsweise um 86 Prozent in Oberösterreich im überprüften Zeitraum sieht der Rechnungshof kritisch.

Lehrpersonen mit Sonderverträgen kamen vorwiegend an Volks- und Mittelschulen zum Einsatz. Vor diesem Hintergrund betonte der Rechnungshof die Wichtigkeit, eine hochwertige Unterrichtsqualität sicherzustellen. Er empfiehlt, die Anzahl an Lehrpersonen mit Sonderverträgen zu reduzieren und Studienanfängerinnen und -anfänger restriktiv einzusetzen.

Fachfremden Unterricht reduzieren

Lehrerinnen und Lehrer sollten grundsätzlich in jenen Unterrichtsgegenständen unterrichten, für die sie voll lehrbefähigt sind. Während an Bundesschulen laut Bildungsministerium kaum fachfremd unterrichtet wurde, wurden im Schuljahr 2023/24 insgesamt 35 Prozent der Unterrichtsgegenstände an Mittelschulen in Oberösterreich und 46 Prozent in Tirol fachfremd unterrichtet.

Ausgewählte Unterrichtsgegenstände wurden beinahe vollständig – etwa Informatik in Tirol zu 90 Prozent oder Digitale Grundbildung in Oberösterreich zu 81 Prozent – fachfremd unterrichtet. Auch sogenannte Hauptgegenstände wurden in beiden Bundesländern fachfremd unterrichtet, etwa Deutsch in Oberösterreich zu 22 Prozent und in Tirol zu 19 Prozent. Mathematik wurde in beiden Bundesländern jeweils zu 16 Prozent fachfremd unterrichtet. In diesem Zusammenhang pocht der Rechnungshof einmal mehr auf die Sicherstellung der Unterrichtsqualität. Der hohe fachfremde Einsatz von Landeslehrpersonen soll reduziert werden.


Presseinformation: Lehrpersonaleinsatz


pdf Datei: 
5,410.4 KB
Umfang: 
132 Seiten

Bericht: Lehrpersonaleinsatz

Der Rechnungshof überprüfte den Lehrpersonaleinsatz an Österreichs Schulen im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, in den Ländern Oberösterreich und Tirol sowie in den Bildungsdirektionen für Oberösterreich und für Tirol. Prüfungsziel war die Beurteilung des Bedarfs sowie der Prognosen und der gesetzten Maßnahmen zur Deckung des Lehrpersonalbedarfs. Darüber hinaus überprüfte der Rechnungshof die Auswirkungen der PädagogInnenbildung NEU sowie die Entwicklung der Anzahl der Absolventinnen und Absolventen von Lehramtsstudien, die nicht-unterrichtlichen Tätigkeiten von Lehrpersonen und die Personalausgaben für Lehrpersonal.

Bericht: Lehrpersonaleinsatz Herunterladen