Klimaschutz wird in Österreich nicht zentral koordiniert
Aktivitäten im Bereich des Klimaschutzes werden in Österreich nicht zentral koordiniert. Dies erschwert die Umsetzung wirksamer Klimaschutzmaßnahmen. Das zeigen die Prüferinnen und Prüfer des Rechnungshofes in ihrem heute veröffentlichten Bericht „Klimaschutz in Österreich – Maßnahmen und Zielerreichung 2020“ auf. Vor allem im Sektor Verkehr gelingt es Österreich nicht, die Treibhausgase zu reduzieren. Aus heutiger Sicht wird Österreich die Klimaziele der EU für 2030 deutlich verfehlen. Daher ist mit Kompensationszahlungen für den Ankauf von Emissionszertifikaten von bis zu 9,214 Milliarden Euro zu rechnen. Bereits jetzt verursacht der Klimawandel hierzulande volkswirtschaftliche Kosten von einer Milliarde Euro jährlich. Geprüft wurden Maßnahmen zum Klimaschutz im Nicht-Emissionshandelsbereich. Prüfzeitraum waren die Jahre 2015 bis 2019.
Zentrales Monitoring und Reporting nötig
Zersplitterte Kompetenzen in Fragen des Klimaschutzes erfordern einen erhöhten Abstimmungs- und Koordinierungsbedarf – auch mit den Ländern. Und: Teilweise stehen widersprüchliche Interessen der Ministerien der Einführung rasch wirksamer Maßnahmen entgegen. Die Budgetverantwortung liegt zwar bei den jeweils fachlich zuständigen Ministerien, es bedarf jedoch der Abstimmung mit dem Finanzministerium. Der Rechnungshof empfiehlt: Die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Stellen des Bundes sowie zwischen Bund und Ländern zu verbessern und geeignete Prozesse im Sinne einer gesamthaften Steuerungsverantwortung für Klimaschutz-Maßnahmen zu implementieren. Zentrales Monitoring und Reporting wären zudem notwendig, um rascher auf klimaschutzrelevante Entwicklungen reagieren zu können.
Verbesserungspotenzial sieht der Rechnungshof auch beim Nationalen Klimaschutzkomitee, ein Beratungsgremium für Grundsatzfragen zur österreichischen Klimapolitik. Es fehlt ein eindeutiges Aufgabenprofil. Unklar ist zudem, an wen dieses Gremium seine Empfehlungen zu richten hat und welche Verbindlichkeit die Empfehlungen haben.
Waldbrand, Naturkatastrophen und volkswirtschaftliche Schäden
In Österreich lag die Temperatur im Jahr 2018 mehr als zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Der Temperaturanstieg war doppelt so hoch wie im globalen Mittel. Die Konsequenz: Erhöhte Waldbrandgefahr und Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Murenabgänge. Die Klimaerwärmung wird durch den Ausstoß von Treibhausgasen verursacht. Während sich die Treibhausgas-Emissionen von 1990 bis 2017 im EU-Schnitt um nahezu ein Viertel reduzierten, erhöhten sie sich in Österreich in diesem Zeitraum um fünf Prozent. Österreich war einer von sechs EU-Staaten, die in diesem Zeitraum die Treibhausgas-Emissionen nicht reduzierten.
Im Jahr 2017 überschritt Österreich mit insgesamt 51,5 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten erstmals die im Klimaschutzgesetz vorgesehene Höchstmenge an Treibhausgas-Emissionen um rund 1,3 Millionen Tonnen; im Vergleich zum unionsrechtlich vorgegebenen Grenzwert sogar um rund 2,1 Millionen Tonnen.
Die nicht umkehrbaren Konsequenzen des Klimawandels haben auch weitreichende volkswirtschaftliche Auswirkungen. Die wetter- und klimabedingten Kosten der Klimaerwärmung liegen in Österreich derzeit bei durchschnittlich einer Milliarde Euro pro Jahr. Bis Mitte des Jahrhunderts werden die gesellschaftlichen Schäden mit 4,2 Milliarden Euro bis 5,2 Milliarden Euro pro Jahr zu beziffern sein. Sollte die Temperatur stärker steigen, würde sich dieser Betrag auf 8,8 Milliarden Euro erhöhen.
Verkehr als Hauptverursacher
Der Verkehr ist hierzulande Hauptverursacher der Treibhausgas-Emissionen im Nicht-Emissionshandelsbereich. 47 Prozent im Jahr 2018 – also nahezu die Hälfte – sind diesem Sektor zuzuschreiben. Die Gründe: Gesteigerter fossiler Kraftstoffabsatz sowie die höhere Fahrleistung von PKW, Bussen und LKW. Seit 2014 scheitert Österreich kontinuierlich daran, den Treibhausgas-Ausstoß des Verkehrssektors zu reduzieren. Eine Trendumkehr zu einer nachhaltigen Verringerung der Emissionen wurde nicht erreicht.
Bund und Länder hatten sich für die Jahre 2015 bis 2018 dem „Zweiten Maßnahmenprogramm“ gemäß Klimaschutzgesetz verpflichtet. Bei der Erstellung dieses Programms standen für den Sektor Verkehr wirksame Vorschläge zur Reduktion der Treibhausgase zur Diskussion. Diese Maßnahmen – etwa Anhebung der Mineralölsteuer, Ausweitung der Tempolimits sowie die Ökologisierung des Pendlerpauschales – wurden jedoch, trotz Zustimmung der Vertreterinnen und Vertreter der Länder, nicht in das finale Programm aufgenommen.
Enorme Kosten für Emissionszertifikate
Die verbindlichen Klimaziele der EU für 2030 sahen im Prüfzeitraum für Österreich eine Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen im Nicht-Emissionshandelsbereich um 36 Prozent gegenüber dem Jahr 2005 vor. Die Europäische Kommission setzte sich in ihrer Langfriststrategie das Ziel, bis 2050 die Emissionen um 80 Prozent bis 100 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren.
Österreich würde auf Basis der bisher verbindlich umgesetzten Maßnahmen die Klimaziele 2030 und 2050 deutlich verfehlen. Für die Periode 2021 bis 2030 wird eine erste Abrechnung der Gesamtemissionen auf EU-Ebene im Jahr 2027 erfolgen. Laut Mitteilung des Finanzministeriums sei jedenfalls mit Kosten im vierstelligen Millionenbereich zu rechnen. Basierend auf Berechnungen einer Studie aus Deutschland, würden Österreich ohne zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen in diesem Zeitraum Ausgaben in Höhe von rund 4,607 Milliarden Euro bis rund 9,214 Milliarden Euro für den Ankauf von Emissionszertifikaten entstehen. Diese Kosten müssten von Bund und Ländern im Verhältnis 80:20 getragen werden.
Der Rechnungshof empfiehlt eine zeitgerechte Strategie für den Ankauf von Emissionszertifikaten zu entwickeln. Die derzeit vorgesehene Kostenaufteilung der Länder nach dem Bevölkerungsschlüssel bietet keinen finanziellen Anreiz, sich im Vergleich zu anderen Ländern ambitionierter um Klimaschutzmaßnahmen zu bemühen. Daher wäre auf eine möglichst verursachergerechte Regelung der Aufteilung der Kosten für den allfälligen Ankauf von Emissionszertifikaten zwischen Bund und Ländern hinzuwirken.
Presseinformation: Klimaschutz in Österreich – Maßnahmen und Zielerreichung 2020
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- Umfang:
- 128 Seiten
Bericht: Klimaschutz in Österreich – Maßnahmen und Zielerreichung 2020
Der Rechnungshof überprüfte von Oktober bis Dezember 2019 Maßnahmen zum Klimaschutz in Österreich. Im Fokus stand die Erreichung der Klimaziele 2020 auf Ebene des Bundes sowie exemplarisch in den Ländern Niederösterreich und Oberösterreich.