Schutz vor Naturgefahren: Wildbäche müssen regelmäßig kontrolliert werden

20.01.2023 – Die Zuständigkeit des Bundes für den Schutz vor Naturgefahren wie Lawine, Mure, Rutschung und Steinschlag sollte eindeutig geregelt werden

In seinem heute veröffentlichten Bericht "Wildbach- und Lawinenverbauung in Oberösterreich und der Steiermark" zeigt der Rechnungshof Verbesserungsbedarf beim Schutz vor Naturgefahren auf. Anpassungsbedarf gibt es etwa bei den Gefahrenzonenplänen. Und die Zuständigkeit des Bundes für den Schutz vor Naturgefahren wie Lawine, Mure, Rutschung und Steinschlag sollte eindeutig geregelt werden. Geprüft wurden das Landwirtschaftsministerium sowie dessen nachgeordnete Dienststelle, die Wildbach- und Lawinenverbauung. Prüfzeitraum waren die Jahre 2015 bis 2020.

Gemäß Forstgesetz 1975 sind die Gemeinden dazu verpflichtet, ihre Wildbäche samt Zuflüssen mindestens einmal jährlich zu begehen. Holz oder andere Gegenstände, die den Wasserlauf hemmen, müssen beseitigt werden. Jedoch: Nicht alle Gemeinden in den Bezirken Oberösterreich West und Steiermark Nord kamen dieser Verpflichtung sowie der geforderten Berichterstattung an die Forstbehörde nach. Wildbäche regelmäßig zu begehen, wäre allerdings wesentlich, um Abflussräume freizuhalten und rechtzeitig Instandhaltungsmaßnahmen veranlassen zu können. Der Rechnungshof empfiehlt, die Finanzierung von Schutzmaßnahmen aus Bundesmitteln an die nachweisliche Erfüllung der im Forstgesetz 1975 vorgeschriebenen Aufgaben durch die Gemeinden zu binden. Zudem wären gesetzliche Regelungen zu prüfen, die allenfalls eine Priorisierung und eine zeitliche Staffelung der Wildbachbegehungen ermöglichen.

Gefahrenzonenpläne: Widersprüchliche Darstellungen

Die Gefahrenzonenpläne werden auf mehreren Plattformen zur Verfügung gestellt: naturgefahren.at, HORA, INSPIRE.Portal Austria, den Geoinformationssystem (GIS)-Services der Ämter der Landesregierungen und dem Gemeindeportal der Wildbach- und Lawinenverbauung. Auf den Plattformen unterscheiden sich die zugänglichen Gefahrenzonen inhaltlich und in der Größe des Maßstabs. Ein stichprobenartiger Vergleich zwischen den Websites des Bundes – naturgefahren.at und HORA – sowie der GIS-Seite des Landes Steiermark ergab in einem Beispiel eine unterschiedliche Ausweisung der Gefahrenzonen.

Der Rechnungshof empfiehlt, die bestehenden Informationsplattformen zur Abfrage von Gefahrenzonen und Naturgefahren hinsichtlich ihrer Zweckmäßigkeit zu hinterfragen und zumindest widersprüchliche Darstellungen zu bereinigen. Erst seit dem 30. März 2021 ist es – auf freiwilliger Basis – vorgesehen, in den Gefahrenzonenplänen jene Flächen darzustellen, die durch Hochwässer, Muren oder Lawinen mit einem Wiederkehrintervall von 300 Jahren gefährdet sind. Nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Extremwetterereignisse spricht sich der Rechnungshof für eine verpflichtende Ausweisung dieser Flächen aus. Zudem könnte das Risikobewusstsein der Bevölkerung damit erhöht werden.

Schutz vor gravitativen Naturgefahren

Nachbesserungsbedarf sieht der Rechnungshof bei der Gesetzeslage zum Schutz vor Naturgefahren. Während die Wildbachverbauung sowie das Forstwesen im Verfassungsrang stehen, gibt es für die sogenannten "gravitativen" Naturgefahren Lawine, Mure, Rutschung und Steinschlag keine eindeutigen verfassungsrechtlichen Verankerungen der Zuständigkeit des Bundes. Der Rechnungshof empfiehlt, einen Entwurf für eine klare verfassungsrechtliche Verankerung der Zuständigkeit des Bundes für den Schutz vor gravitativen Naturgefahren zu erstellen.

Ende des Jahres 2021 trat das Wildbachverbauungsgesetz 1884, eine der Rechtsgrundlagen für die Aufsicht der Wildbach- und Lawinenverbauung, außer Kraft. Seither umfasst die gesetzlich vorgeschriebene Aufsichtstätigkeit nur mehr die Überwachung der durchgeführten forstlich-biologischen, aber nicht der baulichen Maßnahmen. Mangels ihm erteilter Auskünfte des Landwirtschaftsministeriums konnte der Rechnungshof nicht beurteilen, ob das Ministerium zeitgerecht zweckmäßige Vorkehrungen traf, um die Aufsichtstätigkeiten der Wildbach- und Lawinenverbauung gesetzlich klar zu regeln.

Außerdem wäre eine sachgerechte verfassungsrechtliche Grundlage für eine Raumordnungsrahmenkompetenz des Bundes zu erarbeiten und voranzutreiben, um Leistungen der Wildbach- und Lawinenverbauung unter gleichartigen Rahmenbedingungen erbringen zu können.

Bauten in Gefahrenzonen

Das Ministerium genehmigte ein Wildbachverbauungsprojekt in der Steiermark, obwohl laut der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung der Nutzen die Kosten nicht aufwiegen konnte. Alternativen, wie Absiedelungen zum Schutz der betroffenen Personen, wurden nicht überprüft.  Projekte wären grundsätzlich nur dann zu genehmigen, wenn diese als wirtschaftlich eingestuft wurden. Von dieser Vorgehensweise wäre nur in Ausnahmefällen und unter der Voraussetzung, dass auch Absiedelungen wirtschaftlich geprüft wurden, abzuweichen. Generell empfiehlt der Rechnungshof Nachschärfungen bei Bauten in Gefahrenzonen.


Presseinformation: Wildbach- und Lawinenverbauung in Oberösterreich und der Steiermark


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Umfang: 
152 Seiten

Bericht: Wildbach- und Lawinenverbauung in Oberösterreich und der Steiermark

Der Rechnungshof überprüfte die Wildbach- und Lawinenverbauung bei der Fachabteilung Wildbach- und Lawinenverbauung und Schutzwaldpolitik im Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus sowie den nachgeordneten Sektionen Oberösterreich und Steiermark und den Gebietsbauleitungen Oberösterreich West und Steiermark Nord.

Prüfungsziele waren die Darstellung der Rechtsgrundlagen und die Beurteilung der Organisation, der Personal- und Sachausgaben sowie der Kernleistungsfelder Investitionsmanagement, Naturgefahreninformation, Gefahrenzonenplanung, Sachverständigentätigkeit, Maßnahmenplanung und Maßnahmensetzung. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2015 bis 2020.

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