Großer Rückstand bei Verfahren am Bundesverwaltungsgericht

17.02.2023 – Ziel, die Verfahren zu beschleunigen, wurde bislang nicht erreicht

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wurde im Jahr 2014 eingerichtet. Es löste den Asylgerichtshof sowie mehr als 30 Bundesbehörden ab, die bis dahin im Bereich Rechtsschutz tätig waren. Aus Sicht des Rechnungshofes wurde das Ziel, die Verfahren zu beschleunigen, bislang nicht erreicht. In seinem heute veröffentlichten Bericht „Bundesverwaltungsgericht“ zeigt der Rechnungshof die hohen Verfahrensrückstände sowie die lange Verfahrensdauer auf. Dies betrifft vor allem den Bereich Asyl und Fremdenrecht. Zudem gibt es für die am Bundesverwaltungsgericht tätigen Richterinnen und Richter keine entsprechende verpflichtende Grundausbildung. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2018 bis 2021. 

15.000 Verfahren offen

Das Bundesverwaltungsgericht ist als Beschwerdeinstanz in Verwaltungs­angelegenheiten für mehr als 200 Gesetze zuständig. Diese regeln etwa die Bereiche Asyl- und Fremdenrecht, Persönliche Rechte und Bildung, Soziales, Wirtschaft und Gebühren. Die deutlich größte Anzahl an Verfahren entfällt auf den Bereich Asyl- und Fremdenrecht. So betrafen im Jahr 2017 rund 30.600 von insgesamt rund 42.000 Verfahren diesen Bereich. 2021 waren es rund 8.500.
Seit 2017, als infolge der Fluchtbewegungen 2015/16 die meisten Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht eingingen, ging die Zahl der Verfahren pro Jahr deutlich zurück. Der Personalstand wurde zwischen 2014 und 2021 zudem um 42 Prozent erhöht. Dennoch war am Ende des Geschäftsjahres 2021 der Rückstand der insgesamt offenen Verfahren so hoch wie die Zahl der neuen Verfahren in den Jahren 2020 und 2021 zusammen – etwa 15.000. Es ist nicht objektiv und zuverlässig feststellbar, ob tatsächlich eine effiziente und effektive Aufgabenwahrnehmung im richterlichen Bereich sichergestellt war.

Verfahrensdauer: Überschreitung der Sechs-Monatsfrist bei über 60 Prozent der Fälle

Auch zur Verfahrensdauer merkte der Rechnungshof an, dass das Bundesverwaltungsgericht die überwiegende Zahl der Verfahren, nämlich 63 Prozent, erst nach mehr als sechs Monaten entschied. Laut Gesetz wäre jedoch grundsätzlich innerhalb von sechs Monaten über Beschwerden zu entscheiden.
Nur 37 Prozent der Verfahren, die in den Jahren 2020 und 2021 insgesamt abgeschlossen wurden, wurden innerhalb dieser gesetzlichen Frist erledigt. Ebenfalls 37 Prozent wiesen eine Verfahrensdauer von mehr als zwei Jahren auf. Maßgeblich dafür verantwortlich war der Bereich Asyl- und Fremdenrecht, weil der Abbau von Altverfahren infolge der Fluchtbewegungen 2015/16 nicht abgeschlossen war.

In den anderen Rechtsbereichen konnten die Hälfte oder mehr der Verfahren innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden. Der Anteil der Verfahren, die mehr als zwei Jahre dauerten, lag bei rund zehn Prozent.

Der Rechnungshof empfiehlt dem Bundesverwaltungsgericht, zwecks Abbaus der hohen Verfahrensrückstände gezielte Maßnahmen zu setzen, um die besonders belasteten Rechtsbereiche und Gerichtsabteilungen personell und organisatorisch zu unterstützen. Im Hinblick auf die im Jahr 2021 deutlich gestiegene Anzahl der Asylanträge und der offenen Asylverfahren beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl empfehlen die Prüferinnen und Prüfer dem Bundesverwaltungsgericht, zeitgerecht zu reagieren, um einen neuerlichen Aufbau von Rückständen so weit wie möglich zu verhindern. Dass die Verfahrensdauer von in der Regel sechs Monaten eingehalten wird, soll das Bundesverwaltungsgericht zudem als strategisches Ziel definieren, empfiehlt der Rechnungshof.

Verpflichtende Grundausbildung und Weiterbildung

Im Bundesverwaltungsgericht arbeiteten 2021 etwas mehr als 200 Richterinnen und Richter. Mitglieder des Bundesverwaltungsgerichts müssen vor ihrer Ernennung neben einem einschlägigen Studium über eine fünfjährige juristische Berufserfahrung verfügen. Es ist aus Sicht des Rechnungshofes nicht ausreichend sichergestellt, dass diese Personen tatsächlich für das Richteramt geeignet waren, da sich dieses wesentlich von sonstigen juristischen Tätigkeiten in der Verwaltung unterscheidet.

Mangels gesetzlicher Grundlage und aufgrund der verfassungsrechtlich normierten Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter besteht keine Verpflichtung für Mitglieder des Bundesverwaltungsgerichts, an einer entsprechenden Grundausbildung oder Weiterbildung teilzunehmen. Der Rechnungshof empfiehlt daher, für neu eintretende Mitglieder eine Grundausbildung, beziehungsweise verpflichtende Weiterbildung zu schaffen, die den Anforderungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit entspricht. Die verpflichtende Teilnahme daran sollte gesetzlich vorgeschrieben sein.  

Bedenken bei Bestellung, hohe Fluktuation

Der Rechnungshof stellt außerdem fest, dass richterliche Personalgremien – im Gegensatz zur ordentlichen Gerichtsbarkeit, wo dies fast ausnahmslos für alle richterlichen Ernennungsverfahren der Fall ist – in die Besetzung der Präsidentin beziehungsweise des Präsidenten und der Vizepräsidentin beziehungsweise des Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts nicht eingebunden sind. Bedenken gegen diese Art von Bestellung hatte auch die Europäische Kommission in Berichten über die Rechtsstaatlichkeit in Österreich geäußert. 

Insgesamt stellt der Rechnungshof am Bundesverwaltungsgericht eine hohe Fluktuation juristischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fest. Er merkt an, dass in den Jahren 2020 und 2021 Planstellen unbesetzt blieben, und dass das Bundesverwaltungsgericht keine ausreichenden Maßnahmen gegen die Fluktuation gesetzt hatte. Der Rechnungshof empfiehlt, Schritte zu setzen, um die Attraktivität des Bundesverwaltungsgerichts als Arbeitgeber zu erhöhen.  


Presseinformation: Bundesverwaltungsgericht

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Umfang: 
132 Seiten

Bericht: Bundesverwaltungsgericht

Der Rechnungshof überprüfte von November 2021 bis April 2022 das Bundesverwaltungsgericht. Prüfungsziel war die Beurteilung der Organisation und des Aufbaus, der Zusammenarbeit mit Behörden – insbesondere mit dem Bundesamt für Fremden­ wesen und Asyl –, der Verfahrenssteuerung, der Personalauswahl und -entwicklung sowie der Qualitätssicherung. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2018 bis 2021.

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