Rechnungshof sieht umfassenden Handlungsbedarf bei Pensionen

13. Oktober 2023 - Für die nachhaltige Absicherung des Pensionssystems fehlen wichtige Grundlagen

Ob die Mechanismen zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit des Pensionssystems effektiv sind, prüfte der Rechnungshof. Eine wesentliche Aufgabe käme hier der Alterssicherungskommission zu. Sie sollte alle drei Jahre einen Bericht über die langfristige Entwicklung und Finanzierbarkeit bis zum Jahr 2050 erstellen und beurteilen, ob Änderungen im Pensionssystem nötig sind. Doch ihre Arbeit in den Jahren 2017 bis 2022 erachtet der Rechnungshof als unzureichend.

In ihrem heute vorgelegten Bericht „Nachhaltigkeit des Pensionssystems“ kommen die Prüferinnen und Prüfer zum Schluss, dass das österreichische Pensionssystem bei sorgfältiger Weiterentwicklung eine geeignete Basis zur Versorgung der älteren Bevölkerung unter vertretbaren finanziellen Belastungen für die Erwerbstätigen und den Bundes­haushalt sein kann. Aber: Es besteht umfassender Handlungsbedarf.

Prüfzeitraum waren im Wesentlichen die Jahre 2017 bis 2021, spätere Entwicklungen wurden fallweise berücksichtigt. Der heute vorgelegte Bericht ist Teil des Prüfungsschwerpunktes „Next Generation Austria – Überlassen wir der nächsten Generation mehr als Schulden?“

Die steigende Lebenserwartung und sinkende Geburtenzahlen führen zu Veränderungen im Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Personen über 65 Jahren. Diese Herausforderung sollte insbesondere die Pensionsreform des Jahres 2004 mit der Einführung des Pensionskontos lösen. Für weitere Anpassungen wurde damals kein automatischer Algorithmus zur Pensionsberechnung eingesetzt, sondern eine Kommission geschaffen. Die nunmehrige Alterssicherungskommission sollte unter anderem alle drei Jahre Berichte über die langfristige Entwicklung und Finanzierbarkeit des Pensionssystems erstellen. Wesentliche Veränderungen, etwa bei der Lebenserwartung, der Erwerbsbeteiligung und der Produktivität, sollten ermittelt werden. Auch Vorschläge, wie die Pensionen bei geänderten Voraussetzungen langfristig finanziert werden können, sollte die Kommission machen.

Gesamtaussage zur langfristigen Finanzierbarkeit fehlte

Als unzureichend bezeichnen die Prüferinnen und Prüfer des Rechnungshofes die Tätigkeit der Alterssicherungskommission im Zeitraum 2017 bis 2022. 2017, im Jahr ihrer Gründung, kam sie ihrer Verpflichtung zur Berichterstattung nicht nach. Erst 2021 legte sie ein „Langfristgutachten“ vor. Doch: Weder die Alterssicherungskommission noch die Bundesregierung trafen eine gesamthafte Aussage über die langfristige Finanzierbarkeit des Pensionssystems. Außerdem unterließ die Bundesregierung die erforderliche Berichterstattung an den Nationalrat.

Der oder die Vorsitzende der Alterssicherungskommission ist von der Sozialministerin beziehungsweise vom Sozialminister im Einvernehmen mit der Bundeskanzlerin beziehungsweise dem Bundeskanzler und der Finanzministerin beziehungsweise dem Finanzminister zu bestellen. Erst im November 2019 konnte die Alterssicherungskommission zur konstituierenden Sitzung zusammentreffen. Vorher wurde keine Einigung über den Vorsitz erzielt. Anfang 2022 legte der Vorsitzende schließlich sein Amt zurück. Auf der Website des Sozialministeriums fand sich am 12. Oktober 2023 noch der Hinweis, dass die Stelle vakant sei.

Klare Kriterien zur Beurteilung der Nachhaltigkeit fehlen

In seinem Bericht zeigt der Rechnungshof auf, dass langfristige Analysen über die Nachhaltigkeit des Pensionssystems trotz ähnlicher Prognosen unterschiedlich ausfallen. Laut Fiskalrat sei die Nachhaltigkeit durch den Anstieg demografieabhängiger Ausgaben langfristig nicht gesichert. Die Alterssicherungskommission hingegen machte in ihren Beschlüssen dazu keine Aussage und schlug auch keine Reformmaßnahmen vor. Es fehlen klare Kriterien, um beurteilen zu können, ob das Pensionssystem nachhaltig ist.

Keine klare Linie bei gesetzlichen Eingriffen

Das Pensionsrecht wurde zwischen 2005 und 2022 insgesamt 29-mal maßgeblich geändert, die finanziellen Auswirkungen wurden dabei oft nicht dargelegt.

Eine klare Strategie ist allerdings nur teilweise zu erkennen. Im Zuge der Reformen der Jahre 2003 und 2004 wurde die Pensionsanpassung im ersten Jahr nach dem Pensionsantritt ausgesetzt. Zwischen 2008 und 2010 wurde sie wieder eingeführt, 2011 erneut ausgesetzt. Für die Jahre 2019 und 2020 wurde sie abermals eingeführt, ab 2021 schließlich in der gesetzlichen Pensionsversicherung in eine aliquote Anpassung im ersten Jahr umgewandelt.

Kritisch hielt der Rechnungshof außerdem fest, dass die Pensionsanpassung seit 2005 nur zweimal – wie vorgesehen – mit einem am Verbraucherpreisindex orientierten Anpassungsfaktor erfolgte. Zusätzlich haben die im Zeitraum 2005 bis 2022 beschlossenen Eingriffe in das Pensionsrecht Mehraufwendungen gegenüber der Rechtslage 2004 zur Folge. Ab 2036 werden die Aufwendungen weiter steigen – insbesondere durch die Wiedereinführung der Abschlagsfreiheit bei vorzeitigen Alterspensionen beziehungsweise den Frühstarterbonus. Diese Maßnahmen wurden in den Jahren 2019 bis 2021 beschlossen.  

Stagnation bei effektivem Pensionsantrittsalter ab 2030 wird erwartet

Das effektive Pensionsantrittsalter stieg von 2004 bis 2021 im Schnitt um 2,8 Jahre. Doch: Prognosen gehen nach Umsetzung der Angleichung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters für Frauen von einer Stagnation des effektiven Pensionsantrittsalters ab Mitte der 2030er Jahre aus – und das, obwohl die Lebenserwartung steigt. Dies ist Ausdruck einer fehlenden Strategie zum künftigen Umgang mit dem Pensionsantrittsalter. Die Anhebung des effektiven Pensionsantrittsalters und gegebenenfalls auch des gesetzlichen Pensionsantrittsalters wäre eine wichtige Handlungsoption.

Rund 30 Prozent der Aufwendungen öffentlich finanziert

Im Jahr 2020 lag der Aufwand für die gesetzliche Pensionsversicherung bei 47,254 Milliarden Euro, davon der Pensionsaufwand bei 41,673 Milliarden Euro. Der Rest entfiel beispielsweise auf die Ausgleichszulage. Der größte Teil wurde mit Pflichtbeiträgen der Erwerbstätigen in der Höhe von 32,526 Milliarden Euro finanziert. Rund 30 Prozent der Aufwendungen – 14,165 Milliarden Euro – wurden öffentlich finanziert, davon 10,197 Milliarden Euro aus dem Bundesbeitrag. Die Pensionen für Beamtinnen und Beamte lagen bei 12,7 Milliarden Euro.

Presseinformation: Nachhaltigkeit des Pensionssystems

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184 Seiten

Bericht: Nachhaltigkeit des Pensionssystems

Der Rechnungshof überprüfte von April 2022 bis September 2022 die Prozesse und Parameter zur Beurteilung der Nachhaltigkeit des österreichischen Pensionssystems. Prüfungsziel war es, zu beurteilen, ob die Mechanismen zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit des Pensionssystems effektiv waren.

Das bedingte insbesondere eine Beurteilung der Arbeit der Alterssicherungskommission bei den „Langfristgutachten“, der gesetzlichen Änderungen im Pensionsrecht und der tatsächlichen Veränderungen z.B. beim Pensionsantrittsalter und der Pensionshöhe. Der überprüfte Zeitraum umfasste insbesondere die Jahre 2017 (Gründung der Alterssicherungskommission) bis 2021 (Erstellung des letzten „Langfristgutachtens“), wobei der Rechnungshof auch frühere Entwicklungen, u.a. die Pensionsharmonisierung 2004, und spätere Entwicklungen (insbesondere das „Mittelfristgutachten“ 2022) soweit als möglich berücksichtigte.

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