Rechnungshof kritisiert Flächenwidmungsverfahren der Stadt Wien

27. Oktober 2023 – Enge Zusammenarbeit mit Projektbetreibern und Widmungsänderungen, die für große Gewinne bei Privaten sorgten

Flächenwidmung in Wien  - Copyright: Foto: Foto: iStock.com/mdworschak; Darstellung: RH

Der Rechnungshof veröffentlichte heute seinen Bericht „Flächenwidmungsverfahren der Stadt Wien“. Die Stadt Wien beeinflusst durch ihre Flächenwidmungs- und Bebauungspläne den Wert von Liegenschaften. Eine höhere Bauklasse kann zu einer höheren baulichen Ausnutzbarkeit des Grundstücks und somit auch zu einem höheren Wert führen. Geprüft wurden die Jahre 2017 bis 2021; in dieser Zeit wurden über 200 Verfahren durchgeführt. Der Rechnungshof hat neun Verfahren überprüft, sieben davon vertieft. Er empfiehlt unter anderem, zukünftige Wertsteigerungen stadteigener Liegenschaften, die durch Widmungsänderungen entstehen, in Form von Kaufpreisnachzahlungen vertraglich abzusichern. Zudem sollten auf Dauer ausgelegte Gebäude nicht mit befristeten Bewilligungen errichtet werden.

Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung als hoheitliche Aufgabe

Bis auf eine Ausnahme wurden bei allen überprüften Verfahren die Grundlagen für die Festsetzung beziehungsweise Abänderung der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne in enger Abstimmung mit den Grundstückseigentümern oder Projektentwicklern erarbeitet. Konkrete Bauprojekte lagen dabei jeweils schon zugrunde. Der Rechnungshof erkennt die Bemühungen der Stadt Wien, für zukünftige Bauprojekte hohe Qualitäten erzielen zu wollen, an. Doch: Die Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung ist eine hoheitliche Aufgabe. Abstimmungen und vertragliche Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern und Projektentwicklern auf privatrechtlicher Basis sind davon klar zu trennen. Die enge Zusammenarbeit mit Projektentwicklern kann einer unabhängigen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung zuwider laufen.

Stadt Wien soll zukünftige Wertsteigerungen vertraglich absichern

Genauer unter die Lupe nahmen die Prüferinnen und Prüfer etwa die Veräußerung einer Liegenschaft im 22. Wiener Gemeindebezirk – einst ein Marktplatz, für den eine Bausperre galt. 2010 verkaufte die Stadt Wien die Liegenschaft um 261.400 Euro an die Wien Holding GmbH. Noch am selben Tag verkaufte die Wien Holding GmbH diese an ein Unternehmen – und zwar um 350.000 Euro. Innerhalb eines Tages steigerte sich der Preis somit rund um ein Drittel. Der Preis ergab sich aus einem fiktiv angenommenen Projekt mit einer maximalen Gebäudehöhe von 15 Metern beziehungsweise fünf Geschoßen. Die Stadt Wien war sowohl über die Verkaufsabsichten der Wien Holding GmbH als auch über die Höhe des Kaufpreises informiert.

Die Stadt Wien bewilligte in den darauffolgenden Jahren trotz Bausperre zwei höher geschoßige Gebäude und änderte den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan. Die Liegenschaft wurde im Jahr 2012 um 1,4 Millionen Euro und im Jahr 2018 um 7 Millionen Euro durch private Unternehmen weiterverkauft. Im Dezember 2019 bewilligte die MA 37 (Baupolizei) schließlich ein elfgeschoßiges Wohn- und Geschäftsgebäude. Trotz Annahmen zur zukünftigen baulichen Ausnutzbarkeit wurde keine Nachzahlungsverpflichtung zum Kaufpreis in den Kaufvertrag aufgenommen. Der Rechnungshof empfiehlt der Stadt Wien, zukünftige Wertsteigerungen, die unter anderem durch Widmungsänderungen entstehen, in Form von Kaufpreisnachzahlungen vertraglich abzusichern.

Liegenschaftsverkauf im 23. Bezirk

Die Stadt Wien war Eigentümer einer Liegenschaft in der Dirmhirngasse im 23. Wiener Gemeindebezirk. Im Oktober 2016 suchte ein Unternehmen um Umwidmung von drei benachbarten Liegenschaften, die in seinem Besitz standen, an. Verwirklicht werden sollte ein Bauprojekt. Der Entwurf bezog auch die Liegenschaft der Stadt Wien mit ein. Die zuständige Abteilung antwortete damals, dass sie sich eine maßvolle Verdichtung grundsätzlich vorstellen könnte; einen konkreten Zeitpunkt für die Umwidmung konnte sie jedoch nicht nennen.

Im März 2019 wechselten die drei Liegenschaften die Eigentümer. Verkauft wurde an ein Unternehmen („Unternehmen D“), an dem wiederum über zwei Unternehmen ein ehemaliger Stadtrat beteiligt war. Auch die neuen Eigentümer suchten um Abänderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans an. Die zuständige Magistratsabteilung vertrat die Ansicht, dass sich das vorgelegte Projekt in die umgebende Struktur einfüge. Zudem verwies sie darauf, dass sich die Liegenschaft der Stadt Wien in der Dirmhirngasse nicht im Eigentum des Projektwerbers befand und empfahl eine „Einbeziehung dieser Fläche“. Für diese Fläche im Eigentum der Stadt Wien wurde im Juni 2019 ein Bietverfahren in die Wege geleitet – Mindestwert: 300.000 Euro.

Das Unternehmen D legte mit 910.000 Euro das höchste Anbot. Der Gemeinderat genehmigte den Verkauf im Februar 2020. Die zuständige Magistratsabteilung begann im selben Jahr mit Vorarbeiten für die Überarbeitung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans, der auch diese vier Liegenschaften umfasste. Ende des Jahres 2021 erfolgte der Beschluss im Gemeinderat. Für die Liegenschaften erhöhte sich dadurch die Bauklasse von I mit einer maximalen Gebäudehöhe von 6,50 Metern auf Bauklasse III mit einer maximalen Gebäudehöhe von 16 Metern. Dies führte zu einer Nachzahlungsverpflichtung von 1,06 Millionen Euro des Unternehmens D an die Stadt Wien. Ende Jänner 2023 waren noch rund 464.000 Euro exklusive Verzugszinsen offen.

Der Rechnungshof hält unter anderem kritisch fest, dass die zuständige Magistratsabteilung für das Bietverfahren im Jahr 2019 keine Absicht für eine Überarbeitung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans äußerte. Dennoch begann sie nicht einmal ein Jahr nach dem Verkauf an das Unternehmen D mit der Bearbeitung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans.

Befristete Bewilligung für Sport & Fun Halle Praterstern

Die im Eigentum der Stadt Wien stehende WIP Wiener Infrastruktur Projekt GmbH suchte im April 2022 um eine befristete Bewilligung für die Errichtung der „Sport & Fun Halle Praterstern“ an. Gewidmet als „Grünland – Erholungsgebiet, Sport– und Spielplätze“, lagen 94 Prozent der Halle in einem Bereich, in dem keine Gebäude errichtet werden durften. Der Rechnungshof hält kritisch fest, dass die Baupolizei in Abstimmung mit der Magistratsdirektion und der MA 21 B für ein auf Dauer ausgelegtes Gebäude dennoch eine befristete Baubewilligung erteilte. Er empfiehlt der Stadt Wien, auf Dauer ausgelegte Gebäude nicht aufgrund befristeter Bewilligungen zu errichten. Insbesondere stadteigene Projekte wären nur auf Basis gültiger Flächenwidmungs- und Bebauungspläne zu bewilligen. Der Rechnungshof weist auf das finanzielle Risiko hin, das die Stadt Wien im Zusammenhang mit einer befristeten Baubewilligung einging, hängt doch der dauerhafte Bestand des Gebäudes unter anderem von der Zustimmung eines künftigen Gemeinderats ab. Zudem führe die Versiegelung von Grünflächen auch laut dem Stadtentwicklungsplan STEP 2025 zu einer zusätzlichen Erwärmung der Stadt. 

Keine nennenswerten Einschränkungen bei Standorten für Hochhäuser

Zu ausgewählten Themen im Zusammenhang mit Widmungen spricht der Rechnungshof weitere Empfehlungen aus. So lieferte das Fachkonzept Hochhäuser für zukünftige Hochhausstandorte und deren Ausgestaltung wenig bindende Anforderungen. Es gab keine nennenswerten Einschränkungen für die Standorte von Hochhäusern. Daher sollten konkret geforderte Qualitäten und quantitative Mindest- beziehungsweise Maximalvorgaben in das Fachkonzept aufgenommen werden.

Der Rechnungshof weist außerdem auf unterschiedliche Methoden bei der Bestimmung von Grünflächen hin. So hielt die Stadt Wien fest, dass über 50 Prozent der Gesamtflächen Grünflächen sind. Das ist das Ergebnis des Grünraummonitorings – dabei werden Grünflächen mittels Infrarotaufnahmen aus der Luft ermittelt. Auch Flächen unter Baumkronen, unabhängig von ihrer Beschaffenheit, und begrünte Dachflächen werden dabei als Grünflächen betrachtet.


Presseinformation: Flächenwidmungsverfahren der Stadt Wien

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Umfang: 
88 Seiten

Bericht: Flächenwidmungsverfahren der Stadt Wien

Der Rechnungshof überprüfte von Februar bis Juli 2022 in der Stadt Wien die Verfahren zur Festsetzung und Abänderung der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne. Prüfungsziele waren die Darstellung der Rechtsgrundlagen, der Aufbau- und Ablauf­organisation und die Beurteilung des Ablaufs der Verfahren zu einzelnen Plandokumenten. Der Rechnungshof überprüfte neun Verfahren auf Basis einer risikoorientierten Auswahl, davon sieben vertieft. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2017 bis 2021.

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