Einrichtung der Bildungsdirektionen: Hauptproblem der Kompetenzzersplitterung ungelöst

03.02.2023 – Weisungszusammenhänge zwischen Bund und Land bergen Interessen- und Treuekonflikte

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Seit dem 1. Jänner 2019 bestehen die neun Bildungsdirektionen. Sie wurden im Zuge der Bildungsreform 2017 als gemeinsame Bund-Land-Schulbehörden eingerichtet. Das Grundproblem – die Kompetenzzersplitterung im Schulwesen – wurde damit allerdings nicht gelöst: Komplexe Weisungszusammenhänge, mangelnde Flexibilität bei der Personalbewirtschaftung und Unterschiede bei den Bildungsregionen gehen damit einher. Verbesserungsmöglichkeiten gibt es bei der Übertragung von Zuständigkeiten an die Bildungsdirektion durch Bund und Länder und den Stellenbesetzungen. Seit Jahren ausständig ist außerdem eine Verordnung für das Bildungscontrolling, ein wichtiger Teil der Bildungsreform, um die Qualität in den Schulen zu verbessern. Das zeigen die Prüferinnen und Prüfer des Rechnungshofes im heute veröffentlichten Bericht „Bildungsdirektionen“ auf. Der überprüfte Zeitraum umfasst im Wesentlichen die Jahre 2017 bis 2020. Alle neun Bildungsdirektionen, die Länder sowie das Bildungsministerium wurden überprüft.

Als gemeinsame Behörde des Bundes und des Landes vollzieht eine Bildungsdirektion sowohl Landes- als auch Bundesagenden des Schul- und Erziehungswesens. Geleitet wird sie von der Bildungsdirektorin beziehungsweise dem Bildungsdirektor, die/der beim Bund beschäftigt ist. Das sieht der Rechnungshof im Sinne der Entpolitisierung positiv. Zusätzlich kann die Landeshauptfrau beziehungsweise der Landeshauptmann der Bildungsdirektion als Präsidentin beziehungsweise als Präsident vorstehen oder das in Betracht kommende Mitglied der Landesregierung damit betrauen. Dies widerspricht dem Ziel der Entpolitisierung. Außerdem ergibt sich damit eine weitere Stufe im ohnehin komplexen Weisungsgeflecht.

Weisungszusammenhänge zwischen Bund und Land bergen Interessen- und Treuekonflikte

Die Bildungsdirektorin beziehungsweise der Bildungsdirektor ist in Bundesangelegenheiten des Schulwesens an die Weisungen des Bildungsministers gebunden. Die Landesregierung kann für Landesangelegenheiten Weisungen erteilen. Sind sowohl Bund als auch Land betroffen, muss beiderseitiges Einvernehmen hergestellt werden.

Welche Probleme sich daraus in der Praxis ergeben, zeigt folgendes Beispiel: 2021 wies das Bildungsministerium den Bildungsdirektor für Salzburg an, Personalveränderungen beziehungsweise Nachbesetzungen von Landesbediensteten inklusive Qualifikationsprofilen zu melden. Das Amt der Salzburger Landesregierung untersagte jedoch die Weitergabe der personenbezogenen Daten. Der Rechnungshof erachtet die parallelen Weisungszusammenhänge im Rahmen der Bundes- und Landesvollziehung unter dem Gesichtspunkt potenzieller Interessen- beziehungsweise Treuekonflikte als problematisch.

Nach wie vor unterschiedliche Ansprechstellen für dieselben Angelegenheiten

Der Gesetzgeber hat ursprüngliche Aufgaben des Bundes und der Länder obligatorisch, also verpflichtend, an die Bildungsdirektionen übertragen. Dazu zählen etwa der Vollzug des Schul- und des Dienstrechts, Qualitätssicherung, die Schulaufsicht und das Bildungscontrolling. Entgegen den gesetzlichen Vorgaben behielten sich die Länder in einigen Angelegenheiten die Zuständigkeiten oder Zustimmungsrechte vor. Das betrifft zum Beispiel Entscheidungen über einen sprengelfremden Schulbesuch. Einzig das Land Steiermark übertrug seiner Bildungsdirektion die Entscheidung über einen sprengelfremden Schulbesuch für Berufsschulen ohne weitere Zustimmungserfordernisse.

Von der fakultativen, also freiwilligen Möglichkeit, weitere Aufgaben an die Bildungsdirektion zu übertragen, machten die Länder in unterschiedlichem Ausmaß Gebrauch. Während Oberösterreich zum Beispiel das Kindergarten- und Hortwesen, das land- und forstwirtschaftliche Schulwesen und den Vollzug des Bildungsinvestitionsgesetzes betreffend Förderung der ganztägigen Schulformen auf die Bildungsdirektion für Oberösterreich übertrug, wählten andere Länder wie Burgenland, Steiermark oder Wien einen restriktiveren Weg und übertrugen – neben den obligatorischen Aufgaben – nur wenige weitere Kompetenzen.

Angesichts dieser uneinheitlichen Handhabung weist der Rechnungshof kritisch darauf hin, dass es österreichweit mitunter unterschiedliche Ansprechstellen für dieselben schulischen Angelegenheiten gibt. Ein Beispiel für die nach wie vor bestehende Zersplitterung der Zuständigkeiten: Im Schuljahr 2020/21 schienen beim Antragsformular der Schülerbeihilfe insgesamt 23 verschiedene behördliche Stellen auf.

Im Gegensatz zu den Ländern hatte der Bund keine weiteren Kompetenzen an die Bildungsdirektionen übertragen. Dies betrifft beispielsweise die Zentrallehranstalten und die höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten. Das wiederum führt zu Parallelstrukturen und steigert die Komplexität des österreichischen Bildungssystems.

Die Empfehlung des Rechnungshofes: Sowohl Länder als auch Bund sollten in ihren Zuständigkeitsbereichen die Übertragung weiterer Aufgaben an die Bildungsdirektionen prüfen und gegebenenfalls umsetzen.

Besoldungsunterschiede beeinträchtigen Betriebsklima

In den Bildungsdirektionen gab es umgerechnet rund 1.930 Vollzeitstellen. Sowohl Bundes- als auch Landesbedienstete sind im Einsatz, wobei der Bundesvollzug und somit auch der Anteil der Bundesbediensteten bei Weitem überwiegt. Die Bildungsdirektorin beziehungsweise der Bildungsdirektor ist für die gesamte Dienst- und Fachaufsicht zuständig. Die Diensthoheit über die Landesbediensteten obliegt jedoch der jeweiligen Landesregierung. Es bestehen zahlreiche dienst- und besoldungsrechtliche Unterschiede sowie verschiedene Pensionssysteme zwischen den Bundes- und Landesbediensteten. So erhielten beispielsweise in den Bildungsdirektionen für Burgenland und Niederösterreich die Landesbediensteten, anders als die Bundesbediensteten, am Landesfeiertag dienstfrei. Diese Unterschiede stellen die Bildungsdirektionen vor Herausforderungen, weil sie vor allem eine Beeinträchtigung des Betriebsklimas bedeuten. Eine Gleichbehandlung aller Bediensteten ist aufgrund der unterschiedlichen gesetzlichen Bestimmungen – etwa hinsichtlich der Gehälter, Pensionen, Feiertage sowie Urlaubsansprüche – nicht möglich. Die unterschiedlichen Zuständigkeiten für Bundes- und Landesbedienstete bedingen auch unterschiedliche, parallel bestehende IT-Systeme, wie in der Personalverwaltung sowie beim Reise- und Zeitmanagement.

Mehr Männer als Frauen erhielten Top-Jobs

Der Rechnungshof nahm die Akten zu 64 Besetzungsverfahren im Zuge der Einrichtung der Bildungsdirektionen unter die Lupe. Die Entscheidungen der Begutachtenden konnte er nicht vollständig nachvollziehen. Zudem konnten mögliche Einflussnahmen oder bewusste Steuerungen bei Besetzungen nicht zur Gänze ausgeschlossen werden. Im Zuge der Besetzung der leitenden Positionen der Bildungsdirektionen wurden vier Anträge an die Bundes-Gleichbehandlungskommission auf Prüfung einer möglichen Benachteiligung gestellt. In einem Verfahren zog die Beschwerdeführerin ihren Antrag zurück.

Für die Leitung der Bildungsdirektionen bewarben sich drei Mal so viele Männer wie Frauen. Sieben Männer und zwei Frauen erhielten schließlich den Top-Job. Obwohl das Geschlechterverhältnis unter den Bewerbungen für die Leitungen der Bereiche Pädagogischer Dienst ausgeglichen war, zeigte sich auch hier ein Ungleichgewicht: Sieben Männer und zwei Frauen wurden zur Leitung im Pädagogischen Dienst bestellt. Immerhin: Bei den Besetzungen der Präsidialbereichsleitungen war das Verhältnis mit vier Frauen und fünf Männern beinahe ausgeglichen. 

Intransparenz bei Nutzung der Dienstwagen

Bildungsdirektorinnen und Bildungsdirektoren haben keinen gesetzlichen Anspruch auf einen eigenen Dienstwagen. Das Bildungsministerium äußerte in einem Schreiben an die Bildungsdirektionen keine Bedenken gegen die Nutzung von landeseigenen Dienstwagen bei Vorliegen entsprechender Vereinbarungen zwischen Bund und Land. Der Rechnungshof kritisiert, dass landeseigene Dienstwagen von Bundesbediensteten zum Teil privat genutzt wurden. Außerdem waren Fahrtenbücher unvollständig. Die Prüferinnen und Prüfer konnten zudem die Rückerstattung für die private Nutzung des Dienstwagens durch den Bildungsdirektor für Niederösterreich nicht nachvollziehen. Ebenso weist der Rechnungshof auf den von der Bildungsdirektion für Salzburg eingeschlagenen Weg hin, selbst einen Dienstwagen zu leasen. Für eine rechtskonforme und transparente Verwendung von Dienstwagen wäre zu sorgen. 

Verordnung für Bildungscontrolling fehlt nach wie vor

Ein wichtiger Teil der Bildungsreform 2017 war, ein umfassendes Bildungscontrolling einzurichten. Das Ziel: Qualität in der Schule, Transparenz und Effizienz beim Einsatz der Mittel auf allen Ebenen der Schulverwaltung zu steigern. Dieses Bestreben sieht der Rechnungshof positiv. Nur: Beinahe drei Jahre nach Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes waren wesentliche Bausteine für ein Bildungscontrolling – wie die erforderliche Verordnung – noch ausständig.

Große Bandbreite an Ausbildungsmöglichkeiten in den Bildungsregionen

Die Länder richteten mit 1. Jänner 2019 insgesamt 31 Bildungsregionen ein. Eine optimale schulische Versorgung der Schülerinnen und Schüler sollte gewährleistet werden. Dazu gehören etwa ein angemessenes regionales Bildungsangebot sowie die Sicherstellung der pädagogischen Qualität. Bei den Bildungsregionen zeigt sich eine große Bandbreite hinsichtlich Ausbildungsmöglichkeiten. Besonders auffällig war die Einteilung in lediglich zwei Bildungsregionen in Wien, wie bereits der Bericht der Internen Revision des Ministeriums vom März 2020 festgestellt hatte. Demnach waren dadurch die Steuerbarkeit und die Umsetzung des Umbaus der vorhandenen alten Strukturen der Schulaufsicht erschwert.
Insgesamt stellt der Rechnungshof fest, dass die Schulqualitätsmanagerinnen und -manager, die einstigen Schulinspektoren, ihre Aufgabe unterschiedlich wahrnahmen. In Bildungsregionen im städtischen Bereich waren sie für deutlich mehr Schülerinnen und Schüler zuständig als am Land. Die angestrebte schulartenübergreifende Schulaufsicht war noch nicht zur Gänze verwirklicht und spiegelte zum Teil die Struktur der „alten“ Schulaufsicht wider.
Es wären Maßnahmen zur Unterstützung des organisatorischen Wandels zu setzen, um sicherzustellen, dass die Reformen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mitgetragen und angemessen umgesetzt werden.


Presseinformation: Bildungsdirektionen

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Umfang: 
274 Seiten

Bericht: Bildungsdirektionen

Der RH überprüfte die seit 1. Jänner 2019 in den Ländern als gemeinsame Bund-Land-Schulbehörden bestehenden Bildungsdirektionen. Prüfungsziel war die Beurteilung der Neuorganisation der Schulbehörden und der jeweiligen landesgesetzlichen Umsetzung sowie der daraus resultierenden Aufgabenbereiche der Bildungsdirektionen.

Darüber hinaus überprüfte der RH die Personalausstattung, die Auswahlverfahren für Leitungspositionen, die finanzielle Entwicklung und die Organisationsstrukturen der Bildungsdirektionen sowie die Bildungsregionen. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Schuljahre 2017/18 bis 2020/21 bzw. die Kalenderjahre 2017 bis 2020.

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