ÖBB erhielt Überzahlung von über einer Milliarde Euro aus Zuschüssen

12.11.2021 – Sicherheitsrelevante Vorfälle in Verantwortung der ÖBB-Infrastruktur AG stiegen von 2015 bis 2019 um 43 Prozent

Im Zuge seiner Überprüfung des Bundesrechnungsabschlusses 2019 hat der Rechnungshof herausgefunden, dass die ÖBB-Infrastruktur AG in ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2019 eine Verbindlichkeit in der Höhe von rund 1,147 Milliarden Euro aus den Vorjahren gegenüber dem Bund aufwies. Dies hat den Rechnungshof zur Prüfung „Zuschussverträge zur Finanzierung der Schieneninfrastruktur der ÖBB“ veranlasst. Dabei zeigt sich: Die Überzahlung ist auf zu hoch ausbezahlte Zuschüsse zurückzuführen. Investitionsvorhaben konnten nicht im vollen Umfang umgesetzt werden. Und: Meistens verzichtete das Verkehrsministerium auf eine Gegenverrechnung. Geprüft wurde der Zeitraum 2015 bis 2019.

Da die Erlöse der ÖBB-Infrastruktur AG nicht ausreichen, ihre Aufgaben kostendeckend zu erfüllen, leistet der Bund Zuschüsse zur Finanzierung der Schieneninfrastruktur. Mit einer Streckenbetriebslänge von 4.900 Kilometern betreibt die ÖBB-Infrastruktur AG 87 Prozent des österreichischen Eisenbahnnetzes. Der Ausbau und die kontinuierliche Instandhaltung sind wesentlich, um eine moderne, sichere und auch ausreichende Schieneninfrastruktur bereitzustellen.

In den ÖBB-Rahmenplänen sind die wichtigsten verkehrspolitischen Ziele verankert. Sie sind die Grundlage der Zuschussverträge für den Ausbau, den Betrieb und die Instandhaltung der Schieneninfrastruktur. Diese Verträge hat das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) laut Gesetz – im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen (BMF) – mit der ÖBB-Infrastruktur AG auf sechs Jahre abzuschließen, jährlich um ein Jahr zu ergänzen und auf den neuen sechsjährigen Zeitraum anzupassen.

Zahlungen basierten auf alten Verträgen

Die ÖBB-Infrastruktur AG erstellte zwar jährlich einen Rahmenplan. Dieser wurde jedoch nicht jährlich vom Ministerrat genehmigt. In diesem Fall behielt der Rahmenplan der Vorperiode seine Gültigkeit. Auch die Zuschussverträge wurden im überprüften Zeitraum nicht jährlich abgeschlossen. Die Konsequenz: Das BMK leistete die Zahlungen auf Basis der in der Periode zuvor abgeschlossenen Zuschussverträge. Der Rechnungshof verweist in diesem Zusammenhang auf seinen Bericht: „Bahnprojekt: Brenner Basistunnel“ aus dem Jahr 2017. Bereits damals hatte er die fehlenden Rahmenpläne und den Nicht-Abschluss der Zuschussverträge kritisiert und empfohlen, künftig lückenlos den gesetzmäßigen Zustand herzustellen.

Höheres Investitionsvolumen nur schwer realisierbar

Die Rahmenpläne der ÖBB-Infrastruktur AG sahen während ihrer Laufzeit eine deutliche Steigerung des Investitionsvolumens vor. Jedoch: Die geplanten Anstiege des Investitionsvolumens um 20 Prozent und mehr innerhalb von ein bis zwei Jahren erachten die Prüferinnen und Prüfer des Rechnungshofes als nur schwer realisierbar. Damit legte das BMK seinen Zuschussverträgen mit der ÖBB-Infrastruktur AG regelmäßig überhöhte geplante Mittelerfordernisse zugrunde.

Gemäß den Zuschussverträgen sollten Überzahlungen vom Bund an die ÖBB-Infrastruktur AG eigentlich im Folgejahr gegenverrechnet werden. Tatsächlich fand ein zahlungswirksamer Ausgleich von Überschüssen nur – in geringem Maße – 2016 (16,7 Millionen Euro) und 2019 (80,5 Millionen Euro) statt. Weil weniger ausgegeben wurde als es die Pläne vorsahen, sammelten sich somit bis Ende 2019 Verbindlichkeiten gegenüber dem Bund in der Höhe von rund 1,147 Milliarden Euro an. Diese wurden zinsenfrei im Unternehmen belassen. Der Rechnungshof empfahl dem BMK und dem BMF, die vorgesehenen Rückzahlungen der aushaftenden rund 1,147 Milliarden Euro bei der ÖBB-Infrastruktur AG tatsächlich einzufordern. Laut Finanzministerium sei eine Rückzahlung im Gange.

Zudem mahnt der Rechnungshof eine bessere Nachvollziehbarkeit der tatsächlich verwendeten Mittel ein. So wäre von der ÖBB-Infrastruktur AG ein Verwendungsnachweis zu fordern, in dem die tatsächlichen Aufwendungen und Ausgaben sowie die abzuziehenden Erträge so aufgelistet sind, dass der zu finanzierende Betrag sowie allfällige Über- beziehungsweise Unterdeckungen aufgrund der Zuschüsse klar nachvollzogen werden können.

Sicherheitsrelevante Vorfälle stiegen

In den Zuschussverträgen ist auch die Verbesserung der Sicherheit der betriebenen Schieneninfrastruktur zu regeln. Wird eine festgelegte Obergrenze für sicherheitsrelevante Vorfälle überschritten, muss die ÖBB-Infrastruktur AG gemäß Zuschussvertrag eine Ausgleichszahlung an den Bund leisten. Erfasst werden müssen alle sicherheitsrelevanten Vorfälle unabhängig davon, ob sie einen Schaden zur Folge haben.

Von 2015 bis 2019 meldete die ÖBB-Infrastruktur AG 8.927 sicherheitsrelevante Vorfälle. Davon hatte sie 15 Prozent – also 1.301 sicherheitsrelevante Vorfälle – zu verantworten. In zehn Fällen kamen Personen zu Schaden, wobei in drei Fällen Reisende betroffen waren. 713 Mal wurden Sachschäden verzeichnet. Und: 85 Prozent dieser Vorfälle betrafen Entgleisungen, Kollisionen sowie die Beeinträchtigung des sicheren Betriebs durch schwere Mängel an technischen Einrichtungen und Schienenfahrzeugen. Im Prüfzeitraum stieg die Anzahl der gemeldeten sicherheitsrelevanten Vorfälle.

Der Rechnungshof gibt zu bedenken, dass in den Jahren 2016 bis 2019 der vertraglich vorgesehene Grenzwert für die von der ÖBB-Infrastruktur AG zu verantwortenden Vorfälle überschritten wurde. Ausgleichszahlungen mussten geleistet werden. Dennoch erhöhte sich die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle, die von der ÖBB-Infrastruktur AG zu verantworten waren, von 2015 bis 2019 um rund 43 Prozent. Der Rechnungshof empfiehlt, Maßnahmen zu entwickeln, um die sicherheitsrelevanten Vorfälle zu verringern.

Die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH (SCHIG mbH) als Kompetenzzentrum für das Eisenbahnwesen beurteilte die Qualität der Schieneninfrastruktur und der dazugehörigen Anlagen übrigens mit der Gesamtnote 2,1. Eine Quantifizierung des Reinvestitions- und Instandhaltungsbedarfs wäre für die längerfristige Steuerung und Mittelplanung des BMK wichtig.


Presseinformation: Zuschussverträge zur Finanzierung der Schieneninfrastruktur der ÖBB

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84 Seiten

Bericht: Zuschussverträge zur Finanzierung der Schieneninfrastruktur der ÖBB

Der Rechnungshof überprüfte die Abwicklung der Zuschussverträge zur Finanzierung der Schieneninfrastruktur der ÖBB. Prüfungsziel war die Beurteilung der Ermittlung des Zuschussbedarfs, der Gründe für die Verzögerung der Genehmigung der Zuschussverträge, der Abwicklung der Zuschussverträge und der zur Auszahlung gelangenden Mittel. Zudem erhob der RH allfällige Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Höhe der Zuschusszahlungen für die Schienen infrastruktur. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2015 bis 2019.

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