Betreuungsverhältnisse an den Universitäten in einzelnen Studienfeldern besonders ungünstig

08. Oktober 2021 – Lehrkapazitäten liegen teilweise brach

Das Betreuungsverhältnis zwischen Professorinnen beziehungsweise Professoren und Studierenden ist in einzelnen Studienfeldern besonders ungünstig. So liegt es etwa an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU Wien) im Studienfeld Recht bei 1 : 140,5. Die angestrebte Relation von 1 : 40 wurde an einigen Universitäten bereits erreicht, fallweise sogar unterschritten. Und: Vor allem an der Universität Graz blieben Lehrkapazitäten ungenutzt. Das zeigt der Rechnungshof im heute veröffentlichten Bericht „Lehre und Betreuungsverhältnisse – Universität Graz und Wirtschaftsuniversität Wien“ auf. Überprüft wurden die Studienjahre 2014/15 bis 2018/19 an der Universität Graz und an der WU Wien.

Gutes Betreuungsverhältnis als Qualitätsmerkmal

Das Betreuungsverhältnis von Studierenden zu Professorinnen und Professoren sowie vergleichbaren Personengruppen wie etwa Dozentinnen und Dozenten ist ein wesentlicher Gradmesser für die Qualität der Studienbedingungen. Das Ziel von 1 : 40  gemäß dem „Gesamtösterreichischen Universitätsentwicklungsplan“ 2016 – 2021 wurde an einzelnen Universitäten erreicht beziehungsweise sogar unterschritten. An großen Universitäten wurde die Vorgabe jedoch deutlich verfehlt. Zudem zeigte der Rechnungshof die enorme Bandbreite auf: So lag etwa das Betreuungsverhältnis im Studienjahr 2018/19 an der WU Wien bei 1 : 81,3; an der Universität Graz bei 1 : 47,6. Zum Vergleich: An der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien wurden 10,2 Studierende von einem Lehrenden auf Professoren-Niveau betreut. An der Medizinischen Universität Wien lag das Verhältnis bei 1 : 12,3.

Die große Bandbreite zeigt sich übrigens auch innerhalb eines Studienfeldes. An der Universität Graz lag das Betreuungsverhältnis im Studienfeld Recht bei 1 : 54,8; an der WU Wien hatte eine Professorin beziehungsweise ein Professor 140,5 Studierende im Studienjahr 2018/19 zu betreuen.

Beim Betreuungsverhältnis aller Uni-Lehrenden – dazu zählen etwa auch Lektorinnen und Lektoren – zu Studierenden liegt Österreich im OECD-Vergleich mit 1 : 14 im vorderen Mittelfeld. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 1 : 16. Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2017. Um die Qualität des Studiums weiter zu verbessern und einen Beitrag zur Erreichung des nachhaltigen Entwicklungsziels  4 „hochwertige Bildung“ der Agenda 2030 zu leisten, wären im Wissenschaftsministerium Maßnahmen zu setzen, die die Betreuungsrelationen an öffentlichen Universitäten an das Spitzenfeld der OECD-Staaten heranführen.

Weniger Abschlüsse an der Universität Graz, Steigerung an der WU Wien

Die Studienabschlüsse stiegen im Prüfungszeitraum um insgesamt 2,6 Prozent – von 34.300 auf 35.201. An der Universität Graz verringerten sich die Abschlüsse um 5,5 Prozent. Fast ein Drittel mehr Studienabschlüsse verzeichnete hingegen die WU Wien. Der Rechnungshof empfiehlt: Die Universität Graz soll die rückläufige Entwicklung bei den Studienabschlüssen analysieren und Maßnahmen zur Umkehr setzen.

Brach liegende Lehrkapazitäten

An beiden Universitäten steigerte sich im Prüfungszeitraum die Lehrkapazität des wissenschaftlichen Stammpersonals. Diese schöpfte die WU Wien mit 97,4 Prozent stärker aus als die Universität Graz mit 93,1. An den mit den WU Wien vergleichbaren Fakultäten der Universität Graz wurde die Lehrkapazität nur zu 84,5 Prozent beansprucht.

Nur rund 60 Prozent der Studien „prüfungsaktiv“

Im Studienjahr 2018/19 galten an Österreichs öffentlichen Universitäten knapp 60 Prozent aller Bachelor-, Diplom- und Masterstudien als prüfungsaktiv. Ein Studium gilt dann als prüfungsaktiv betrieben, wenn eine Studentin beziehungsweise ein Student im jeweiligen Studienjahr Prüfungen im Ausmaß von mindestens 16 Anrechnungspunkten nach dem European Credit Transfer and Accumulation System (ECTS) erfolgreich ablegt. Zur Orientierung: Ein Bachelorstudium umfasst 180 ECTS-Anrechnungspunkte. Ein ECTS-Punkt entspricht einem Arbeitsaufwand von etwa 25 bis 30 Stunden über das gesamte Semester gerechnet. Der Rechnungshof empfiehlt dem Wissenschaftsministerium, der Universität Graz und der WU Wien, weiterhin Maßnahmen zur Erhöhung der Prüfungsaktivität an den öffentlichen beziehungsweise den überprüften Universitäten zu setzen.

Presseinformation: Lehre und Betreuungsverhältnisse – Universität Graz und Wirtschaftsuniversität Wien

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120 Seiten

Bericht: Lehre und Betreuungsverhältnisse – Universität Graz und Wirtschaftsuniversität Wien

Der Rechnungshof überprüfte von Mai bis September 2019 die Lehre und Betreuungsverhältnisse an der Universität Graz und der Wirtschaftsuniversität Wien sowie im für die Universitäten zuständigen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Prüfungsziel war es, die Betreuungsverhältnisse anhand maßgeblicher Kennzahlen zu beurteilen, ebenso wie die personellen Kapazitäten und den tatsächlichen Personaleinsatz für Lehre, Prüfungen und Betreuung wissenschaftlicher Arbeiten sowie die Organisation und die Evaluierung der Lehre. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2014 bis 2018 bzw. die Studienjahre 2014/15 bis 2018/19.

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