Ärzteausbildung: Drop-out-Rate nach Studienabschluss von mehr als 30 Prozent

10.12.2021 – Der Rechnungshof führte eine Ersuchensprüfung durch

 Der Rechnungshof prüfte – auf Beschluss des Nationalrats – die „Ärzteausbildung“ und hält in seinem heute veröffentlichten Bericht fest: In Österreich besteht eine erhebliche Differenz zwischen der Zahl der Medizinabsolventinnen und -absolventen und der Zahl der in Folge im Arztberuf tätigen Ärztinnen und Ärzte. Die Wahl eines anderen Berufes oder eine ärztliche Tätigkeit außerhalb Österreichs identifizieren die Prüferinnen und Prüfer als mögliche Gründe für die Differenz. Der Rechnungshof empfiehlt dem Gesundheitsministerium, dem Wissenschaftsministerium und den Medizinischen Universitäten Graz und Wien – aufgrund der Drop-out-Rate nach Studienabschluss von 31 Prozent – geeignete Maßnahmen zu setzen, um die ärztliche Berufstätigkeit von Medizinabsolventinnen und -absolventen in Österreich zu forcieren.

Geprüft wurden im Wesentlichen die Jahre 2009 bis 2019.

Im Durchschnitt der Studienjahre 2008/09 bis 2018/19 ließen sich nur 79 Prozent der Medizinabsolventinnen und -absolventen in die Ärzteliste eintragen. Und weiter: Nur 69 Prozent der Absolventinnen und Absolventen waren zur Zeit der Gebarungsüberprüfung auch ärztlich tätig.

Die Prüferinnen und Prüfer halten zudem fest: Der Zustrom von Absolventinnen und Absolventen ausländischer Universitäten konnte im überprüften Zeitraum teilweise kompensieren, dass 31 Prozent der Absolventinnen und Absolventen österreichischer Universitäten für die ärztliche Versorgung in Österreich nicht zur Verfügung standen. Der Rechnungshof verweist allerdings auf den verbleibenden Verlust ärztlichen Potenzials im Ausmaß von 20 Prozent – dies vor dem Hintergrund, dass Österreich je Absolventin beziehungsweise Absolvent bis zu rund 542.000 Euro ausgibt.

Sicherstellung des Ärztenachwuchses sollte evaluiert werden

Die Beschränkung des Zugangs zum Medizinstudium an den öffentlichen Medizinischen Universitäten ab dem Studienjahr 2005/06 begann sich nach dem Studienjahr 2010/11 auf die Zahl der Absolventinnen und Absolventen auszuwirken: Die jährliche Absolventenzahl lag im Durchschnitt der Studienjahre 2011/12 bis 2018/19 bei 1.269 und lag somit um 19 Prozent niedriger als im Durchschnitt der Studienjahre 2000/01 bis 2010/11 (1.576).

Der Rechnungshof empfiehlt dem Gesundheitsministerium und dem Wissenschaftsministerium, gemeinsam mit den Medizinischen Universitäten die Absolventenzahlen des Medizinstudiums auch im Hinblick auf die Sicherstellung des Ärztenachwuchses zu evaluieren.

Allgemeinmedizinische Turnusärztinnen und Turnusärzte wechseln häufig in Sonderfachausbildung

Von 2016 bis 2020 nahm die Zahl der allgemeinmedizinischen Turnusärztinnen und Turnusärzte in allen Ländern ab – dies in einer Bandbreite von 15 Prozent im Burgenland bis zu 43 Prozent in Kärnten und Salzburg.

Die Prüferinnen und Prüfer erhoben den Karriereweg von Turnusärztinnen und Turnusärzten und stellen dabei fest: Insgesamt begannen von Juni 2015 bis November 2016 1.543 Turnusärztinnen und Turnusärzte eine Basisausbildung. Davon starteten in der Folge 730 (47 Prozent) den allgemeinmedizinischen Spitalsturnus – der Frauenanteil betrug hierbei 56 Prozent. Bis Juni 2020 erlangten von diesen 730 Turnusärztinnen und Turnusärzten 258 (35 Prozent) eine selbstständige allgemeinmedizinische Berufsberechtigung. Von den 258 fertigen Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmedizinern begannen 90 Personen (35 Prozent) danach noch eine Sonderfachausbildung.

Die noch nicht berufsberechtigten 65 Prozent (rund 470 Personen) wechselten teilweise bereits während der allgemeinmedizinischen Ausbildung in eine Sonderfachausbildung – vor allem in internistische Sonderfächer, Orthopädie und Traumatologie sowie Neurologie.

Der Trend, während beziehungsweise nach der allgemeinmedizinischen Ausbildung in die Sonderfachausbildung zu wechseln, steht im Spannungsverhältnis zur Intention der Ausbildungsreform 2014/15, die auf eine Attraktivierung der allgemeinmedizinischen Ausbildung abzielte.

Bedarfsanalysen für Allgemeinmedizin: Schätzungen nicht sehr treffsicher

Die von der Ärzte-Ausbildungskommission geschätzten Pensionierungen waren die Grundlage für die Vorgabe, wie viele Ausbildungsstellen für Allgemeinmedizin jedes Land zur Verfügung stellen sollte.

Der Rechnungshof hält fest, dass die tatsächlichen Austritte aus der Ärzteliste von den Schätzungen der Ärzte-Ausbildungskommission für 2017 und 2018 deutlich abwichen. So waren etwa für das Jahr 2018 die Schätzungen für Wien um 621 Prozent, für die Steiermark um 211 Prozent und für das Burgenland um 250 Prozent höher als die Austritte.

Die Prüferinnen und Prüfer weisen zudem darauf hin, dass weitere Einflussfaktoren auf den Bedarf, wie zum Beispiel Teilzeit, neue Versorgungsmodelle wie Primärversorgungseinheiten, Öffnungszeiten, Nachfrage nach ärztlichen Leistungen oder demografische Entwicklungen in dieser Bedarfsanalyse nicht berücksichtigt wurden.


Presseinformation: Ärzteausbildung


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168 Seiten

Bericht: Ärzteausbildung

Der Rechnungshof überprüfte von November 2019 bis September 2020 mit Unterbrechung auf Beschluss des Nationalrates die Ärzteausbildung. Die Überprüfung umfasste das Gesundheitsministerium, das Wissenschaftsministerium, die Medizinischen Universitäten Graz und Wien sowie die Österreichische Ärztekammer. Ziele der Gebarungsüberprüfung waren die Beurteilung von rechtlichen, organisatorischen, finanziellen und personellen Maßnahmen im Bereich der ärztlichen Ausbildung sowie die Beurteilung der damit verbundenen Kosten und Wirkungen. Entsprechend dem Beschluss des Nationalrates lag der Fokus auf dem Studium der Humanmedizin und der postpromotionellen Ärzteausbildung bis zur selbstständigen ärztlichen Berufsberechtigung (in der Folge: Ärzteausbildung) vor allem in den Bereichen Allgemeinmedizin, Psychiatrie (Kinder und Jugendliche sowie Erwachsene) und Kinder- und Jugendheilkunde. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2009 bis 2019.

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