Rechnungshof empfiehlt transparente Prozesse bei der Personalauswahl für Aufsichtsräte

31.03.2022 – Erhebliche Mängel bei Feststellung der persönlichen und fachlichen Eignung

Als zum Teil „unzureichend“ erachtet der Rechnungshof in den Jahren 2016 bis 2020 erfolgte Bestellungen von Aufsichtsräten in Beteiligungsunternehmen sowohl im Wirtschaftsministerium, im Finanzministerium als auch im Verkehrs- beziehungsweise nunmehrigen Klimaschutzministerium. Unzureichend war in den geprüften Fällen konkret die Feststellung der fachlichen beziehungsweise der persönlichen Eignung der Kandidatinnen und Kandidaten. Erhebliche Mängel gab es zudem in allen genannten Ministerien bei der Prüfung möglicher Rollen- und Interessenkonflikte. Und: Auswahlentscheidungen waren nicht oder unzureichend dokumentiert.

Diese und weitere Defizite zeigt der Rechnungshof in seinem heute veröffentlichten Bericht „Aufsichtsräte: Auswahlprozess in Ministerien“ auf. Im Fokus der Prüfung stand die Frage, ob bei der Auswahl von Personen für Aufsichtsräte in ausgewählten Beteiligungsunternehmen gesetzliche Vorgaben sowie Compliance-Regelungen eingehalten wurden. Dabei zeigte sich: Es gibt erhebliches Verbesserungspotenzial, etwa um Unvereinbarkeiten zu vermeiden. Ein öffentliches Register, in dem Kompetenzen und Entscheidungsgründe für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder eingetragen werden, würde die Transparenz erhöhen. Der Rechnungshof prüfte 166 Aufsichtsratsbestellungen in 20 Unternehmen des Bundes der Jahre 2016 bis September 2020. Die ausgewählten Unternehmen befanden sich im Allein- oder im Mehrheitseigentum des Bundes.

Auswahl erfolgte nicht nachvollziehbar

Fachlich und persönlich geeignete Aufsichtsratsmitglieder sind von großer Bedeutung für die zuständigen Ministerien zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen. Aufgabe von Aufsichtsräten ist, den Vorstand beziehungsweise die Geschäftsführung zu überwachen, zu kontrollieren und zu beraten. Die Auswahl und Besetzung sollte einem objektiven, transparenten und nachvollziehbaren Prozess folgen. Allerdings: In den drei überprüften Ministerien war kein solcher Prozess eingerichtet. Welche persönlichen und fachlichen Anforderungen Aufsichtsrätinnen und Aufsichtsräte erfüllen sollen, wurde in den meisten Fällen vorab nicht festgelegt.

Warum bestimmte Kandidatinnen und Kandidaten in den Aufsichtsrat gewählt wurden, war im Wirtschaftsministerium in keinem der überprüften Fälle sowie im Finanz- beziehungsweise im Verkehrs- und Klimaschutzministerium nur in einem Viertel der Fälle in den Akten dokumentiert. Der Bestellvorgang wurde in den Akten grundsätzlich erst erfasst, nachdem eine Person von der Ressortleitung für eine Aufsichtsratsfunktion bestimmt wurde. Wie die Auswahl erfolgte, war für den Rechnungshof nicht nachvollziehbar.

Der Rechnungshof empfiehlt: Es wären objektive, transparente, nachvollziehbare und definierte Prozesse zur Auswahl von Personen für Aufsichtsratsfunktionen in öffentlichen Unternehmen, samt Dokumentation der Entscheidungsgründe, zu implementieren. Vor der Auswahl von geeigneten Personen wären die benötigten Kompetenzen zu definieren und ein darauf aufbauendes Anforderungsprofil zu erstellen und zu dokumentieren.

Interessen- und Rollenkonflikte vermeiden

Der Rechnungshof kritisiert, dass in keinem der überprüften Ministerien im Bestellungsakt dokumentiert wurde, inwieweit Interessenkonflikte berücksichtigt wurden. Zwischen 22 Prozent und 44 Prozent der Aufsichtsratsfunktionen waren im überprüften Zeitraum mit Bediensteten der Ministerien besetzt. Allerdings: Interessen- und Rollenkonflikte sind bei der Wahrnehmung von Organfunktionen in Beteiligungen des Bundes durch Bedienstete der Ministerien nicht ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang zeigt der Rechnungshof auf:

  • Im Wirtschaftsministerium war eine Person Aufsichtsrätin in einer Beteiligung, für die sie im Ministerium als Abteilungsleiterin in der Eigentümerverwaltung zuständig war. In einem weiteren Fall waren ein fachlich zuständiger Sektionsleiter und eine ihm gegenüber in Ressortangelegenheiten weisungsgebundene Abteilungsleiterin als Aufsichtsräte in derselben Beteiligung bestellt.
  • Im Finanzministerium war die Leiterin der für das Beteiligungsmanagement zuständigen Organisationseinheit Aufsichtsrätin in acht Beteiligungen des Ministeriums. In einem Fall war sie Vertreterin des Bundes in jener Hauptversammlung, in der sie zur Aufsichtsrätin gewählt wurde.
  • Im Verkehrs- beziehungsweise Klimaschutzministerium war eine Mitarbeiterin des Beteiligungsmanagements Aufsichtsrätin in einer Beteiligung des Ministeriums. In einer Beteiligung waren ein Sektionsleiter und eine ihm gegenüber weisungsgebundene Abteilungsleiterin Aufsichtsräte.

Der Rechnungshof empfiehlt: Geeignete Maßnahmen zur Prüfung von Interessenkonflikten vorzusehen, um solche zu vermeiden und die Unabhängigkeit und Objektivität aller Aufsichtsratsmitglieder zu gewährleisten.

ÖBAG: Mitwirkungsmöglichkeiten des Finanzministeriums verringerten sich

Anfang 2019 wurde die Österreichische Bundes- und Industriebeteiligungen GmbH (ÖBIB GmbH) in die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) umgewandelt. Dabei wurde auch ein Aufsichtsrat eingerichtet. Der Rechnungshof stellte fest, dass sich durch die Umwandlung die gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsmöglichkeiten des Finanzministeriums bei staatlichen Tochtergesellschaften verringerten. Vorschlag und Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern bedurften der Zustimmung des Präsidiums des Aufsichtsrats der ÖBAG. Daher erhielt die Bestellung der Organe (Aufsichtsrat, Vorstand) der ÖBAG eine besondere Bedeutung.

Der Rechnungshof kritisiert, dass die für Beteiligungen des Finanzministeriums zuständige Fachabteilung in den Prozess der Rekrutierung und Auswahl der Aufsichtsratskandidatinnen und -kandidaten für die ÖBAG (sechs Aufsichtsratsfunktionen) nicht eingebunden war. Die Fachabteilung konnte den Prüferinnen und Prüfern keine Informationen zur Entscheidungsfindung der Ressortleitung mitteilen.

Der neu konstituierte Aufsichtsrat bestellte in der Folge den Alleinvorstand der ÖBAG. Dieser war zuvor Kabinettschef und Generalsekretär des Finanzministeriums. Es war nicht dokumentiert, dass Vorkehrungen getroffen wurden, um einen potenziellen Interessenkonflikt des damaligen Kabinettschefs und Generalsekretärs zu vermeiden. Ein potenzieller Interessenkonflikt konnte sich nach Ansicht des Rechnungshofes daraus ergeben, dass eine Person auf den Auswahlprozess von Aufsichtsratsmitgliedern Einfluss nehmen konnte, die kurz nach deren Wahl und Konstituierung des Aufsichtsrats über die Bestellung dieser Person zur Geschäftsleitung eines Unternehmens entschieden.

Öffentliches Register und Cooling-off-Phase

Bei der Bestellung von Aufsichtsräten gibt es erhebliches Verbesserungspotenzial. Das legen die Prüferinnen und Prüfer des Rechnungshofes in ihrem Bericht dar. Unter anderem werden ein öffentliches Register sowie eine Cooling-off-Phase angeführt. Ein öffentliches Register, in das die entscheidungsrelevanten Kompetenzen der bestellten Aufsichtsratsmitglieder sowie die Entscheidungsgründe für die Auswahl einzutragen wären, könnte die Transparenz erhöhen. Ein solches Register würde die Empfehlung der Europäischen Kommission zur Offenlegung der Kompetenzen für börsenotierte Gesellschaften umsetzen. Und: Für jene Personen, die die Auswahl und Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern im Rahmen ihrer Funktion beeinflussen können, wäre eine Cooling-off-Phase bei der Übernahme einer Geschäftsleitungsfunktion in der betreffenden Gesellschaft einzuführen.

Rechnungshof lobt „frauenfördernde Tendenz“

Neun von 20 Unternehmen erfüllten im Jahr 2019 die Vorgaben des Bundes einer Frauenquote von 35 Prozent. Die übrigen elf Unternehmen erfüllten Ende 2019 die gesetzliche Vorgabe von 30 Prozent. Der Rechnungshof wertet die frauenfördernde Tendenz in allen drei Ministerien positiv. Den bei drei Unternehmen gegenüber 2016 gesunkenen Anteil an weiblichen Aufsichtsräten hob der Rechnungshof negativ hervor. Er empfiehlt den überprüften Ministerien, bei Aufsichtsratsbestellungen die Frauenquote verstärkt zu berücksichtigen und die diesbezüglichen Vorgaben einzuhalten.


Presseinformation: Aufsichtsräte: Auswahlprozess in Ministerien

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84 Seiten

Bericht: Aufsichtsräte: Auswahlprozess in Ministerien

Der RH überprüfte die Auswahl von Aufsichtsratskandidatinnen und -kandidaten im Wirtschaftsministerium, im Finanzministerium sowie im damaligen Verkehrs- bzw. nunmehrigen Klimaschutzministerium. Prüfungsziel war die Beurteilung der Einhaltung gesetzlicher und sonstiger Vorgaben (Compliance) im Zuge der Auswahl von Personen für Aufsichtsratsfunktionen bei 20 ausgewählten unmittelbaren und zwei mittelbaren Beteiligungsunternehmen im Wirkungsbereich der drei Ministerien. Nicht–Ziel war die Beurteilung der Qualifikation der Kandidatinnen und Kandidaten bzw. der Arbeit der Aufsichtsratsgremien. Der überprüfte Zeitraum reichte von 2016 bis in das Jahr 2020.

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