Steiermark: Hoher Reformbedarf im Sozialbereich

29.04.2022 – Rechnungshof kritisiert zersplitterte Organisation zwischen Bezirkshauptmannschaften und Sozialhilfeverbänden

Der Rechnungshof hat heute seinen Bericht „Funktion und Aufgaben der Sozialhilfeverbände in der Steiermark – Schwerpunkt Sozialhilfeverband Murtal“ veröffentlicht. Darin kritisiert er die zersplitterte Organisation zwischen Bezirkshauptmannschaften und Sozialhilfeverbänden. Positiv würdigt er, dass die Steiermärkische Landesregierung noch im Zuge der Prüfung ankündigte, eine „Reform der Kostentragung im Sozialbereich umzusetzen und damit auch den Empfehlungen des Rechnungshofes vollinhaltlich nachzukommen“. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2015 bis 2019.

Mangelnde Transparenz durch Aufsplitterung der Aufgaben

In der Steiermark nehmen das Land und die Bezirkshauptmannschaften, aber auch die Sozialhilfeverbände wesentliche Aufgaben im Sozialbereich wahr. Dafür bilden alle Gemeinden eines politischen Bezirks – mit Ausnahme der Stadt Graz – jeweils einen Sozialhilfeverband. Dieser hat Finanzmittel für Sozialleistungen zu vereinnahmen, zu verrechnen und auszuzahlen. Dazu gehört vor allem die Sozialhilfe, die Bedarfsorientierte Mindestsicherung, die Unterstützung für Menschen mit Behinderung, die Kinder- und Jugendhilfe und Gelder für Leistungen zum Schutz vor Gewalt für Frauen und Minderjährige.

Die Finanzierung der Leistungen im Sozialbereich erfolgt grundsätzlich im Verhältnis 60 zu 40 durch das Land Steiermark und die Sozialhilfeverbände. Wem Sozialleistungen gewährt werden, entscheiden überwiegend die Bezirkshauptmannschaften. Die Entscheidungskompetenz der Sozialhilfeverbände ist auf die Bewilligung einiger weniger Leistungen beschränkt. Die Prüferinnen und Prüfer kritisieren, dass aufgrund dieser Aufsplitterung der Aufgaben- und Ausgabenverantwortung für Sozialleistungen die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Verwaltung und Gebarung erschwert sind.

Unklarheit bei Aufgabenverteilung

Als administrativer Hilfsapparat eines Sozialhilfeverbands ist eine Geschäftsstelle vorgesehen. Diese Funktion obliegt den Bezirkshauptmannschaften, deren Aufgaben in Verträgen zwischen dem Land und den Sozialhilfeverbänden geregelt sind. Die Bezirkshauptfrau beziehungsweise der Bezirkshauptmann leitet die Geschäftsstelle.

Daher ist etwa die Bezirkshauptmannschaft Murtal auch die Geschäftsstelle des Sozialhilfeverbands Murtal. Ihre Aufgaben nahmen zur Zeit der Prüfung 20 Bedienstete des Sozialreferats der Bezirkshauptmannschaft in unterschiedlichem Ausmaß wahr. Die Prüfung des Rechnungshofes zeigt: Eine klare Zuordnung der Aufgaben von Geschäftsstelle und Sozialhilfeverband war nicht durchgängig möglich.

Der Rechnungshof weist zudem kritisch darauf hin, dass die Geschäftsstellen auf Basis von Verträgen zwischen den Sozialhilfeverbänden und dem Land berechtigt waren, Leistungen der Hilfe in besonderen Lebenslagen zu gewähren. Dies widerspricht den gesetzlichen Vorgaben, wonach dafür die Verbandsversammlung zuständig ist.

Geschäftsordnungen der Sozialhilfeverbände nicht gesetzeskonform

Die Geschäftsordnungen von elf Sozialhilfeverbänden zeigen, dass ihre Organe zu Aufgaben ermächtigt waren, für die sie gesetzlich nicht zuständig waren. Weil gesetzeskonforme Geschäftsordnungen fehlten und keine Verbandskassiere bestellt waren, war die Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung durch die Sozialhilfeverbände nicht durchgängig sichergestellt. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Land Steiermark für Leistungen im Sozialbereich, durchschnittlich über fünf Jahre (2015 bis 2019) gerechnet, jährlich mehr als 400 Millionen Euro aufbringen musste.

Sozialhilfeverbände „kritisch hinterfragen“

Der Rechnungshof stellte außerdem fest, dass die vom Land Steiermark budgetierten Anteile an den Kosten der Sozialhilfeverbände regelmäßig nicht ausreichten, um die Liquidität der Sozialhilfeverbände ganzjährig sicherzustellen. Er empfiehlt dem Land Steiermark, die gesetzlichen Vorgaben der transparenten und möglichst getreuen Darstellung der finanziellen Lage des Landes bei der Erstellung der Landesbudgets einzuhalten.


Zudem sollte das Land Steiermark die Zweckmäßigkeit von Sozialhilfeverbänden im Hinblick auf die Zersplitterung der Leistungsabwicklung im Sozialbereich durch die Sozialhilfeverbände als Verrechnungs- und Auszahlungsstellen, die Bezirkshauptmannschaften als Geschäftsstellen und das Land Steiermark als leistungszuerkennende Stelle kritisch hinterfragen. Die Organisation im Sozialbereich in der Steiermark sollte darauf abzielen, die Aufgaben effizient und rechtmäßig wahrzunehmen. Aufgaben sollten klar zugeordnet werden. Die Zuerkennung und Abwicklung der Leistungen wären zusammenzuführen und die Finanzierungsströme zu entflechten. Eine geeignete Form der Einbindung der Gemeinden im Hinblick auf ihre Mitfinanzierung des Sozialbereichs wäre anzustreben.


Presseinformation: Funktion und Aufgaben der Sozialhilfeverbände in der Steiermark – Schwerpunkt Sozialhilfeverband Murtal

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118 Seiten

Bericht: Funktion und Aufgaben der Sozialhilfeverbände in der Steiermark – Schwerpunkt Sozialhilfeverband Murtal

Der RH überprüfte die Funktion und Aufgaben der Sozialhilfeverbände in der Steier­mark mit Schwerpunkt auf dem Sozialhilfeverband Murtal. Prüfungsziel war es, die Organisation und die Finanzierung der Sozialhilfeverbände zu beurteilen und dabei die Finanzströme zwischen dem Land Steiermark und den Sozialhilfeverbänden sowie die über die Sozialhilfeverbände finanzierten Aufgaben und Leistungen im Sozialbereich, insbesondere der stationären Pflege, zu analysieren. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2015 bis 2019, der RH bezog aber auch aktuelle Entwicklungen bis einschließlich April 2021 in die Überprüfung mit ein.

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