Strukturreform blieb bei Sanierung des Bürogebäudes des Dachverbands unberücksichtigt

02. September 2022 – Das Haus der sozialen Sicherheit ist für den Eigenbedarf zu groß dimensioniert

Bei der Generalsanierung des Bürogebäudes des Dachverbands der Sozialversicherungsträger im dritten Wiener Gemeindebezirk wurde der gesunkene Platzbedarf durch die Strukturreform nicht berücksichtigt. Die Prüferinnen und Prüfer des Rechnungshofes können wegen Lücken in der Dokumentation die Entscheidungsfindung für die Generalsanierung nicht nachvollziehen. Es ist nicht klar, ob tatsächlich die wirtschaftlichste und nachhaltigste Variante gewählt wurde. Entgegen dem ursprünglichen Ziel ein Null-Energie-Gebäude zu errichten, wurde dieses Vorhaben auf die Geschoße drei bis 14 reduziert. Das Projekt wurde termingerecht und innerhalb der genehmigten Errichtungskosten abgewickelt. Das zeigt der heute veröffentlichte Bericht des Rechnungshofes „Projekt Haus der sozialen Sicherheit“. Prüfungszeitraum waren die Jahre 2014 bis 2020.

Der Dachverband der Sozialversicherungsträger – vormals Hauptverband – ist die Dachorganisation der gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherungen Österreichs. Er repräsentiert und koordiniert die Interessen und Tätigkeiten der fünf – vor der Strukturreform der Sozialversicherung 21 – Sozialversicherungsträger. Für seinen Bürostandort, dem Haus der Sozialen Sicherheit im dritten Wiener Gemeindebezirk in der Kundmanngasse, wurde 2010 von einem Konsulenten ein Instandsetzungsrückstau von insgesamt 33,6 Millionen Euro festgestellt. In den Jahren 2018 bis 2019 ließ der damalige Hauptverband schließlich eine umfassende Generalsanierung des in den Jahren 1976 bis 1978 erbauten Objekts durchführen. Im Februar 2020 nahm er den Vollbetrieb im sanierten Gebäude auf.

Termingerechte Fertigstellung

Die Prüferinnen und Prüfer des Rechnungshofes erkennen an, dass der Haupt- beziehungsweise Dachverband trotz geringer Erfahrung mit der Abwicklung von Bauprojekten das sanierte Bürogebäude samt Zubau termingerecht in Betrieb nehmen konnte und laut Dachverband innerhalb der genehmigten Errichtungskosten von 46,85 Millionen Euro abwickelte.

Verlorener Aufwand, lückenhafte Dokumentation

Insgesamt dauerte jedoch die Umsetzung des Projekts Haus der sozialen Sicherheit von Beginn der Vorarbeiten bis zur Wiederaufnahme des Vollbetriebs mehr als zehn Jahre. In der Entscheidungsphase zur Generalsanierung führte der Hauptverband noch größere Gebäudeinstandhaltungsarbeiten durch. So wurde in den Jahren 2008 bis 2010 um 1,26 Millionen Euro das Erdgeschoss saniert. Insbesondere die dafür verausgabten Mittel sehen die Prüferinnen und Prüfer des Rechnungshofes überwiegend als verlorenen Aufwand. Diese Investitionen nutzte der Hauptverband bis Anfang 2018. Sie waren aber in die Generalsanierung nicht integrierbar und in der Folge nicht mehr nutzbar.

Der Rechnungshof bemängelt zudem, dass die Entscheidungsfindung des Hauptverbands im Zeitraum 2009 bis 2014 für die Generalsanierung wegen lückenhafter Dokumentation unzureichend nachvollziehbar ist. Zur Auswahl stand beispielsweise auch eine um vier Millionen kostengünstigere Sanierungsvariante, die bei der Entscheidungsfindung nicht mehr berücksichtigt wurde. 

Für Eigenbedarf zu groß dimensioniert

Das generalsanierte Bürogebäude und der Zubau bieten Platz für rund 470 Arbeitsplätze samt allgemeinen Nutzflächen. Im Zuge der Generalsanierung vergrößerte der Hauptverband die Seminar- und Veranstaltungsräume, obwohl sich im Rahmen der ab 2016 diskutierten Strukturreform abzeichnete, dass sich aus der Reduzierung der Anzahl der Sozialversicherungsträger und damit ihrer Gremien und Mitglieder der erforderliche Flächenbedarf verringern würde. Der Hauptverband verabsäumte es in dieser Phase, eine Redimensionierung des Projektumfangs und entsprechende Einsparmöglichkeiten zu prüfen. Ab 2020 wurden dreieinhalb von elf Bürogeschoßen außerhalb des Sozialversicherungsbereichs vermietet. Für 2021 war die Vermietung von insgesamt fünf Stockwerken geplant. Bis zum Ende der Prüfung durch den Rechnungshof im Frühjahr 2021 erarbeitete der Dachverband weder ein Vermietungskonzept noch eine transparente Preisgestaltung für die Nutzung der Seminar- und Veranstaltungsräume.

Der Rechnungshof empfiehlt: Der Dachverband sollte die erforderliche Eigennutzung des Hauses der sozialen Sicherheit vor dem Hintergrund eines weiter sinkenden Eigenbedarfs an Flächen laufend überwachen. 

Null-Energie-Gebäude konnte nicht umgesetzt werden

Der Rechnungshof anerkennt, dass sich der Hauptverband zum Ziel gesetzt hat, sein Büro nachhaltig zu sanieren. Dafür erhielt dieser auch drei Zertifikate. Er plante das Haus der sozialen Sicherheit als ein – aus ökologischer Sicht – nachhaltiges und zukunftsweisendes „Leuchtturmprojekt“. Ziel war, ein Null-Energie-Gebäude zu errichten. Dieses Ziel wurde im Laufe der Prüfung auf die Geschoße drei bis 14 reduziert. Der Hauptverband ließ unter anderem auf manchen Dächern Photovoltaik-Anlagen installieren. Nach der Sanierung entsprach die Energiebilanz jedoch nicht dem Ziel eines Null-Energie-Gebäudes der Geschoße drei bis 14. Ausschlaggebend dafür ist die zu klein dimensionierte Photovoltaik-Anlage.

Rund 1.000 Quadratmeter versiegelt

Im Zuge der Generalsanierung gestaltete der Hauptverband auch den Vorplatz um. Anstatt einer nicht öffentlich zugänglichen Gartenanlage mit einer Fläche von rund 1.900 Quadratmetern schuf er einen öffentlich zugänglichen Vorplatz mit einer Fläche von 1.240 Quadratmetern. Davon sind 950 Quadratmeter Betonfläche. Zusätzlich begrünte der Hauptverband die Gebäudedächer.
Die Prüferinnen und Prüfer des Rechnungshofes kritisieren, dass der Hauptverband die klimarelevanten und allenfalls gesundheitlichen Folgewirkungen der Versiegelung von zusätzlich rund 1.000 Quadratmetern seiner Gartenfläche nicht in seine Überlegungen einer nachhaltigen Generalsanierung miteinbezog. Er trug damit – wenn auch in geringem Ausmaß – zur innerstädtischen Flächenversiegelung bei, was in einem Spannungsverhältnis zu seiner Aufgabe als Gesundheitsdienstleister steht.


Presseinformation: Projekt Haus der sozialen Sicherheit

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134 Seiten

Bericht: Projekt Haus der sozialen Sicherheit

Der RH überprüfte von September 2020 bis Februar 2021 den Umbau, die Erweiterung und die Generalsanierung des Hauses der sozialen Sicherheit, dem Sitz des Dachverbands der Sozialversicherungsträger. Prüfungsziel war die Beurteilung der Entscheidung für die Generalsanierung, der Gebäudedimensionierung, der Vermietung von Räumlichkeiten außerhalb des Sozialversicherungsbereichs, der Wahrnehmung der Bauherrnfunktion, der Eignung der Projektorganisation, des Bauprozesses, der Kosten- und Terminentwicklung sowie der Auswirkungen der mit 1. Jänner 2020 in Kraft getretenen Strukturreform der Sozialversicherung auf das Bauvorhaben. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2014 bis 2020.

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