Rechnungshof vermutet Überschreitung der Wahlkampfkosten durch die ÖVP 

12.12.2022 – Wirtschaftsprüfungs-GmbH hat Arbeit abgeschlossen – Partei korrigiert ihre Angaben um mehr als 1 Million Euro – Mitteilung an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS)

Der Rechnungshof ist der Ansicht, dass die ÖVP die Wahlkampfkosten-Obergrenze für die Nationalratswahl 2019 von 7 Millionen Euro nicht eingehalten hat. Der Rechnungshof hat aufgrund dieses vermuteten Verstoßes gegen das Parteiengesetz heute eine Mitteilung an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) übermittelt. 

Das Verfahren zum Rechenschaftsbericht ÖVP 2019 hat der Rechnungshof in seiner Presseinformation vom 10. Juni 2022 dargestellt.

Einer Entscheidung des Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senates (UPTS) in einer anderen Angelegenheit folgend, hat der Rechnungshof eine Wirtschaftsprüfungs-GmbH beauftragt, um bei der ÖVP vor Ort zu prüfen, ob tatsächlich Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Wahlkampfkosten-Obergrenze vorliegen oder nicht. Der Rechnungshof selbst hat diese Kompetenz zur Prüfung  der Bücher in der derzeit gültigen Fassung des Parteiengesetzes noch nicht. 

Die Prüfung der Wirtschaftsprüfungs-GmbH begann am 22. August 2022 und wurde am 29. November 2022 mit ihrem Bericht an den Rechnungshof abgeschlossen. Fehlende Unterlagen begründete die ÖVP teilweise mit dem Löschen von E-Mails nach einem Angriff auf die EDV-Infrastruktur. Die zeitliche Verzögerung der Prüfung war darauf zurückzuführen, dass einigen Landesorganisationen mehrfach Nachfristen betreffend angeforderter Unterlagen gesetzt werden mussten. 

Zusammengefasst ergibt sich für den Rechnungshof aus dem Bericht der Wirtschaftsprüfungs-GmbH folgendes Bild: 

  • Die ÖVP hat in einem aufwändig geführten Verfahren zum Rechenschaftsbericht 2019 gegenüber dem Rechnungshof erklärt, dass die Wahlkampfkosten-Obergrenze eingehalten worden ist. Sie hat dem Rechnungshof in diesem Verfahren mitgeteilt, dass die Wahlkampfkosten 5,602.512,40 für die Nationalratswahl 2019 betragen haben. Im Zuge der Prüfung durch die Wirtschaftsprüfungs-GmbH und im Austausch mit ihr hat die ÖVP ihre Angaben nachträglich dahingehend korrigiert, dass nun 1.034.123,64 Euro zusätzlich als Wahlwerbungskosten genannt worden sind. 
    Der Rechnungshof hält kritisch fest, dass die ÖVP ihm gegenüber im Stellungnahme-Verfahren zum Rechenschaftsbericht 2019 deutlich niedrigere Zahlen mitgeteilt hat. Der Rechnungshof erwartet sich, dass in einem Verfahren zu einem Rechenschaftsbericht umfassende und aussagekräftige Angaben gemacht werden – und nicht erst im Zuge einer Prüfungshandlung. 
  • Auf Basis des Berichts der Wirtschaftsprüfungs-GmbH bewertet der Rechnungshof weitere Ausgaben als Wahlkampfkosten. Sie wurden von der ÖVP auch nach ihrer Korrektur der Angaben nicht als solche anerkannt. Nach Ansicht des Rechnungshofes stellen Ausgaben für die „Berg-Auf Tour“ mit dem Spitzenkandidaten der Partei, für die Beschäftigung ehemaliger Kabinettsmitarbeiter, für Wahlkampfprämien und für Leistungszulagen Kosten dar, die den Wahlwerbungsausgaben zuzurechnen sind. 
  • Die Gesamtsumme dieser Kosten, die sich für  den Rechnungshof nach Durchsicht des Berichts der Wirtschaftsprüfer-GmbH als weitere Wahlwerbungskosten ergeben, beträgt 888.676,58  Euro. 
  • Der Rechnungshof ist der Auffassung, dass deren Zugehörigkeit zu den Wahlkampfkosten vom Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) rechtlich geklärt werden soll. 
  • Die ÖVP selbst hat aufgrund der Prüfungshandlungen ihre Angaben zu den Wahlkampfkosten korrigiert und spricht nun von 6.636.636,04 Euro. Der Rechnungshof vertritt die Auffassung, dass (zumindest) weitere 888.676,58  Euro als Wahlkampfkosten anzugeben sind. 

Aus den allgemeinen Feststellungen der Wirtschaftsprüfungs-GmbH, der Korrektur der Angaben zu den Wahlkampfkosten durch die ÖVP selbst und den Bewertungen des Rechnungshofes zu weiteren Ausgaben der Partei ergibt sich für den Rechnungshof zusammengefasst die Vermutung, dass die Wahlkampfkosten-Obergrenze bei der Nationalratswahl 2019 überschritten wurde.  

Es sind somit Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Parteiengesetz gegeben. Dies hat eine entsprechende Mitteilung des Rechnungshofes an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) zur Folge, der darüber entscheiden kann.


Presseinformation vom 12. Dezember 2022: Rechnungshof vermutet Überschreitung der Wahlkampfkosten durch die ÖVP