St. Pölten soll Gebühreneinnahmen verstärkt für Sanierung von Wasserleitungen verwenden

23.04.2021 – Rechnungshof kritisiert zudem riskante Derivatgeschäfte der Landeshauptstadt

Die Landeshauptstadt St. Pölten wies Überschüsse aus der Wasserbezugsgebühr den Beteiligungen zu, ohne dass sie dafür einen inneren Zusammenhang zur Wasserversorgung nachweisen konnte. Das zeigt der Rechnungshof in seinem heute veröffentlichten Bericht auf. Die Prüferinnen und Prüfer monieren außerdem riskante Derivatgeschäfte der Stadt St. Pölten sowie Interessenkonflikte und intransparente Prämien bei Beteiligungen der Stadt. Der Prüfzeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2015 bis 2018 und lag somit vor dem Auftreten der COVID-19-Pandemie.

Gebührenüberschüsse für Beteiligungen

St. Pölten besitzt eine Wasserversorgungsanlage. Bei einer Wasserbezugsgebühr von 1,30 Euro je Kubikmeter für die Jahre 2015 und 2016 wurden jeweils 1,36 Millionen Euro an Gebührenhaushaltsüberschüssen eingehoben. Von 2015 bis 2018 konnten so 7,08 Millionen Euro an Überschüssen bei der Wasserversorgung erwirtschaftet werden. Davon wurden den Beteiligungen der Stadt 5,44 Millionen Euro zugewiesen. Ohne Einbeziehung dieser „Gewinnentnahmen“, wie die Stadt ihre Entnahmen für die Beteiligungen bezeichnete, hätte die Wasserbezugsgebühr nur 1,18 Euro je Kubikmeter betragen.

Zugleich stellten die Prüferinnen und Prüfer eine zu geringe Erneuerungsrate des Wasserversorgungs- aber auch des Kanalnetzes fest. Um die Substanz zu erhalten, wäre eine jährliche Erneuerungsrate von zumindest einem Prozent anzustreben. Der Rechnungshof empfiehlt außerdem, die zweckgewidmete Verwendung der Gebührenüberschüsse sicherzustellen. Nicht im inneren Zusammenhang verausgabte Entnahmen sollen innerhalb von zehn Jahren in die Gebührenhaushalte rückgeführt werden. Der Rechnungshof verwies auf das Risiko rechtswidriger Gebührenbescheide und daraus ableitbarer Rückzahlungsansprüche.

Geschäftsführer bestellte sich zum Geschäftsführer

St. Pölten war an zwölf privatrechtlich organisierten Unternehmen direkt beteiligt, an drei weiteren indirekt. Aus ihren Beteiligungen hatte die Stadt einen Abgang von durchschnittlich 9,20 Millionen Euro pro Jahr zu bewältigen. Die Verbindlichkeiten der Mehrheitsbeteiligungen lagen Ende 2018 bei 84,98 Millionen Euro.

Prämien für Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer von Mehrheitsbeteiligungen waren intransparent und wenig leistungsorientiert. An der Fachhochschule St. Pölten wurden etwa Prämien gewährt, obwohl die Anstellungsverträge diese nicht vorsahen. Außerdem bemängelten die Prüferinnen und Prüfer automatische Valorisierungen der Geschäftsführergehälter, die aufgrund der Höhe beträchtlich ausfallen konnten.

In der Hochschule St. Pölten Holding GmbH, ihrer Tochter Fachhochschule St. Pölten GmbH und ihrer Enkelin Fachhochschule St. Pölten ForschungsGmbH waren jeweils dieselben Personen in der Geschäftsführung eingesetzt. Die Konsequenz: Potenzielle Interessenkonflikte und In-sich-Geschäfte. Zum Beispiel bestellte sich ein Geschäftsführer selbst zum Geschäftsführer der Enkelgesellschaft, die Geschäftsführungen beschlossen ihre eigene Entlastung, genehmigten das von ihnen selbst erstellte Budget und traten in einem Vertrag sowohl als Vermieter als auch als Mieter auf. Der Rechnungshof kritisiert zudem das Beteiligungsmanagement der Stadt St. Pölten. So fehlten Beteiligungsberichte mit steuerungsrelevanten Informationen und betriebswirtschaftlichen Kennzahlen.

Finanzielle Lage

Die Gesamthaushalte der Stadt St. Pölten waren im Zeitraum 2015 bis 2018 ausgeglichen. Dies gelang, weil sie Schulden aufnahm. Seit 2015 stiegen die Schulden der Stadt um 38 Prozent. 2018 lag der Finanzschuldenstand bei 115,58 Millionen Euro. Wobei das größte Defizit auf das Jahr 2016 zurückzuführen ist. Unter anderem ein negativ verlaufenes Derivatgeschäft schlug damals mit 29,90 Millionen Euro zu Buche.

Der Rechnungshof empfiehlt der Stadt, eine – unter Berücksichtigung der besonderen Erfordernisse für die Bewältigung der COVID-19-Pandemie – nachhaltige und finanziell bewältigbare Haushaltsführung anzustreben.

Risiken bei Derivatgeschäften

Der Gemeinderat ermächtigte den Bürgermeister, uneingeschränkt und ohne vorherige Befassung des Gemeinderats Derivatgeschäfte für die Stadt St. Pölten abzuschließen. Die Gemeindeaufsicht stellte fest, dass für bestimmte Derivatgeschäfte ein Gemeinderatsbeschluss erforderlich gewesen wäre. Die Verantwortlichen überschritten ihre Befugnisse beim Abschluss von 14 Derivatgeschäften, weil diese über dem Risikolimit lagen. Von 2005 bis 2012 schloss St. Pölten insgesamt 31 Derivatgeschäfte über einen Nominalbetrag von 300 Millionen Euro bei mehreren Banken ab.

Riskant agierte die Stadt unter anderem beim Abschluss eines Zinsswaps mit unbeschränktem Währungsrisiko. Dadurch erlitt sie einen finanziellen Nachteil von 41,66 Millionen Euro. Bei einem weiteren Derivatgeschäft mit einer englischen Bank hatte St. Pölten Verluste in der Höhe von 5,25 Millionen Euro. Laut der Stadt St. Pölten seien mittlerweile Investitionen in riskante Papiere aufgrund der gesetzlichen Änderungen ausgeschlossen. 


Presseinformation: Landeshauptstadt St. Pölten


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Umfang: 
120 Seiten

Bericht: Landeshauptstadt St. Pölten

Der Rechnungshof überprüfte von März bis Mai 2019 die Landeshauptstadt St. Pölten. Prüfungsziel war die Beurteilung der finanziellen Lage, des Beteiligungsmanagements, der Derivatgeschäfte, des Personalwesens sowie der Gebührenhaushalte.

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