Ersuchensprüfung: Ärztliche Versorgung
Im März 2019 forderte die Österreichische Ärztekammer 1.300 zusätzlich Planstellen für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte. Der Rechnungshof prüfte – auf Beschluss des Nationalrats – die „Ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich“ und veröffentlichte dazu heute seinen Bericht. Der Rechnungshof beurteilt die Daten – von Gesundheitsministerium, Krankenversicherungsträgern, Dachverband und Österreichischer Ärztekammer – als nicht geeignet, um das Angebot der ärztlichen Leistung im niedergelassenen Bereich valide zu erfassen: So berücksichtigte die Anzahl der abrechnenden Ärztinnen und Ärzte nicht die Kooperation mehrerer Ärztinnen und Ärzte in Gruppenpraxen. Die Anzahl der tätigen Ärztinnen und Ärzte erfasste nicht das Ausmaß ihrer Tätigkeit. Und: Ein aussagekräftiger Vergleich der Öffnungszeiten im Zeitverlauf war für den überprüften Zeitraum nicht verfügbar.
Geprüft wurden im Wesentlichen die Jahre 2013 bis 2019.
Der Rechnungshof hält in seinem Bericht fest: Eine Übersicht über die offenen Planstellen nach Fachgebiet und Region war zur Zeit der Prüfung nur bedingt verfügbar. Laut Gesundheitsministerium habe eine Stichtagsfeststellung im April 2019 österreichweit 70 unbesetzte Planstellen für Allgemeinmedizin ergeben. Bei den Fachärztinnen und Fachärzten liege das Verhältnis ähnlich. Nur wenige Planstellen könnten für längere Zeit nicht besetzt werden.
Die unbesetzten Planstellen teilen sich in jene, die freigehalten werden – beispielsweise für Gruppenpraxen – und jene, die nicht besetzt sind, weil sich etwa keine Bewerberinnen oder Bewerber auf eine Ausschreibung gemeldet haben.
Aufgrund der fehlenden Daten erhob der Rechnungshof mit der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) die besetzten und unbesetzten Planstellen zum Jahresende 2019 in einem einheitlichen Format. Dabei zeigt sich: Mit Ende 2019 waren österreichweit von 7.142,4 Planstellen 138,3 – also rund 1,9 Prozent – freigehalten. 189 Planstellen (rund 2,6 Prozent) konnten entgegen der Planung nicht besetzt werden. Insgesamt lag der Anteil der unbesetzten Planstellen bei rund 4,6 Prozent.
ÖGK soll Strategie zur Besetzung von Planstellen entwickeln
Die geringe Anzahl an Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteigern oder die Abwanderung von Ärztinnen und Ärzten ins Ausland können Ursachen für unbesetzte Planstellen sein. Besonders schwierig sei – laut Gesundheitsministerium und den Gebietskrankenkassen – die Besetzung von Planstellen in struktur- und einwohnerschwachen Regionen.
Der Rechnungshof anerkennt, dass die Gebietskrankenkassen und die ÖGK verschiedene Maßnahmen setzten, um unbesetzte Planstellen attraktiver zu gestalten: Teilweise ermöglichten die Gebietskrankenkassen alternative Standorte und eine gemeinsame Bewerbung mehrerer Teilzeitkräfte für eine Planstelle. Zudem waren sie bemüht, bei länger unbesetzten Planstellen alternative Betreuungsformen zur Versorgung der Bevölkerung zu finden. So ermöglichten die Gebietskrankenkassen etwa durch die Verlängerung des Kassenvertrags nach Erreichen der Altersgrenze die Fortführung von Ordinationen.
Allerdings weisen die Prüferinnen und Prüfer darauf hin, dass die getroffenen Maßnahmen uneinheitlich sind. Der Rechnungshof empfiehlt daher der ÖGK, eine Strategie zur Besetzung von Planstellen zu entwickeln, dazu gezielte Maßnahmen (wie die Flexibilisierung von Rahmenbedingungen) vorzusehen und diese nach regionalen Bedürfnissen anzuwenden.
Tatsächliche Öffnungszeiten erfassen
Der Dachverband hielt im Jänner 2020 fest, dass ein Monitoring zu Öffnungszeiten bundesweit, sektorenübergreifend – also Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sowie Spitalsambulanzen –, vollständig und tagesaktuell sein sollte. Der Rechnungshof kritisiert, dass ein Monitoring der Öffnungszeiten, das alle Anforderungen des Dachverbands erfüllt, zur Zeit der Prüfung fehlte. Außerdem: Eine systematische Erhebung der Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten konnten weder die Gebietskrankenkassen noch das Gesundheitsministerium vorlegen.
Der Rechnungshof empfiehlt dem Gesundheitsministerium und der ÖGK, eine sektorenübergreifende, bundesweite Erfassung der tatsächlichen Öffnungszeiten von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten sowie von Spitalsambulanzen sicherzustellen.
Gesetzter Zielwert an Primärversorgungseinrichtungen wird Ende 2021 wohl nicht erreicht
Bund, Länder und Sozialversicherung setzten sich 2013 das Ziel einer flächendeckenden Umsetzung von Primärversorgung als „allgemeine und direkt zugängliche erste Kontaktstelle für Menschen mit gesundheitlichen Problemen im Sinne einer umfassenden Grundversorgung“. Ein koordinierter Versorgungsprozess sowie ganzheitliche und kontinuierliche Betreuung sollten dabei gewährleistet sein.
Bis Ende 2021 sollten österreichweit zumindest 75 Primärversorgungseinheiten realisiert sein. Dies bedeutet eine Versorgung von fünf Prozent der Bevölkerung in dieser Versorgungsform. Allerdings waren im Dezember 2019 von den – bis Ende 2021 – angestrebten 75 Primärversorgungseinheiten lediglich 16 umgesetzt. Die Prüferinnen und Prüfer halten zudem kritisch fest, dass in Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg im überprüften Zeitraum keine Primärversorgungseinheiten in Betrieb waren.
Nach Ansicht des Rechnungshofes wird das Ziel, bis Ende dieses Jahres 75 Primärversorgungseinheiten zu errichten, voraussichtlich nicht erreicht werden.
Digitalisierung als Chance zur Entbürokratisierung
Die Abrechnung der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte mit der Gebietskrankenkasse erfolgte in den überprüften Jahren in elektronischer Form. Zur vereinfachten Abwicklung von Bewilligungen hatte die Sozialversicherung mit dem e-card-System mehrere Anwendungen geschaffen: So können mit dem „Arzneimittelbewilligungsservice“ die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte seit 2005 die Bewilligung von chefarztpflichtigen Arzneispezialitäten elektronisch beantragen. Seit 2018 bietet die Anwendung „e-Medikation“ einen aktuellen Überblick über die verordneten und in der Apotheke abgegebenen Medikamente. Und: Für die Dauer der COVID-19-Pandemie setzten die Krankenversicherungsträger verschiedene Maßnahmen zur Einschränkung des Patientenkontakts, wie die elektronische Übermittlung der Rezepte an die Apotheken.
Der Rechnungshof hält die zunehmende Digitalisierung für eine wichtige Chance zur Entbürokratisierung.
Presseinformation: Ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich
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- 9,415.7 KB
- Umfang:
- 170 Seiten
Bericht: Ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich
Der Rechnungshof überprüfte von November 2019 bis Juni 2020 auf Beschluss des Nationalrats die ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich. Die Überprüfung umfasste das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, die Österreichische Gesundheitskasse und den Dachverband der Sozialversicherungsträger. Ziel der Gebarungsüberprüfung war die Beurteilung, inwiefern die Rahmenbedingungen für die ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich sichergestellt waren, insbesondere hinsichtlich der Ärztedichte, der Vergütung im Bereich der Allgemeinmedizin und der rechtlichen Vorgaben. Der Rechnungshof orientierte sich dabei insbesondere an dem gesetzlichen Auftrag zur ausreichenden ärztlichen Versorgung als Teil der Krankenbehandlung. Die Sonderversicherungsträger (Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter und Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau) waren nicht von der Überprüfung umfasst. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2013 bis 2019. Einzelne Feststellungen betrafen auch den Zeitraum 2009 bis 2012.