Rechnungshof prüfte Agentur für Europäische Integration und wirtschaftliche Entwicklung und die Rolle der Bundesministerien

10. Oktober 2025 – Bund verlor durch Statutenänderung dominierende Stellung

Bericht des Rechnungshofes - Copyright: Mockup: Farah Zainab Naqvi

Die Agentur für Europäische Integration und wirtschaftliche Entwicklung (AEI) war ein Unternehmen in der Rechtsform eines gemeinnützigen Vereins. Sie wurde 2003 durch Bedienstete des Finanzministeriums gegründet und sah bereits zu diesem Zeitpunkt in ihren Vereinsstatuten die Gründung einer Kapitalgesellschaft vor. Im Jahr 2006 gründete der Verein als Alleingesellschafter die gleichnamige GmbH. Verein und GmbH bestanden fortan parallel und verfolgten denselben Zweck, nämlich EU-geförderte Projekte unter anderem mit Beteiligung österreichischer Bundesministerien beziehungsweise deren Bediensteten als Expertinnen und Experten durchzuführen beziehungsweise zu administrieren. Eine Abgrenzung zwischen Verein und GmbH in der operativen Projektabwicklung war nicht durchgängig nachvollziehbar, was sich unter anderem im Außenauftritt der AEI, in der Buchhaltung sowie bei Verträgen zeigte.

Im überprüften Zeitraum 2017 bis 2022 waren neben dem Bund zeitgleich maximal zwei weitere Gebietskörperschaften ordentliche Vereinsmitglieder. Bis zu sechs Bundesministerien begründeten ressortübergreifend die Vereinsmitgliedschaft des Bundes. An EU-geförderten Projekten mit AEI-Beteiligung nahmen nur das Finanzministerium und das Innenministerium teil.

Steuerung und Kontrolle

Bis 18. Mai 2021 verfügte der Bund über die Stimmenmehrheit in der Mitgliederversammlung, da jedes am Verein teilnehmende Bundesministerium nach Maßgabe der statutarischen Mitgliederrechte den ordentlichen Vereinsmitgliedern gleichgestellt war. So stand dem Bund für jedes am Verein teilnehmende Bundes­ministerium ein Stimmrecht in der Mitgliederversammlung sowie im Vorstand des Vereins zu. Im Jahr 2021 waren neben dem Bund (BMKÖS, Innenministerium, Sozialministerium, Verteidigungsministerium) nur die Stadt Wels und die Gemeinde Deutsch Jahrndorf ordentliche Mitglieder des Vereins AEI.

Eine wirksame Steuerung und Kontrolle des Bundes hing jedoch von einer abgestimmten Vorgangsweise der von den Bundesministerien entsandten Personen beziehungsweise Organwalter in den Vereinsgremien ab. Dies konnten die teilnehmenden Bundesministerien – auch aufgrund fehlender Steuerungs- und Kontrollmechanismen im Sinne eines Beteiligungsmanagements – nicht durchgehend gewährleisten. Entsandte Organwalter agierten teils zu passiv und ließen ein ­ man­gelhaftes IKS-Bewusstsein, unter anderem im Umgang mit Mehrfachfunktionen in Personalunion oder bei Stimmrechtsübertragungen, erkennen. Zutage getretene Informationslücken, Steuerungsdefizite, Interessenkonflikte, Aufsichts- und Kontrollmängel sowie mangelnde Transparenz waren die Folge.

Unter diesen Rahmenbedingungen verlor der Bund durch eine Statutenänderung im Mai 2021 seine dominierende Stellung. In der Mitgliederversammlung des Vereins verfügte der Bund – so wie die Stadt Wels und die Gemeinde Deutsch Jahrndorf – danach nur mehr über eine anstatt der vier Stimmen für jedes teilnehmende Bundesministerium. Diese Statutenänderung war umstritten, aber rechtswirksam, da sie durch die Bundesministerien nicht beeinsprucht wurde. Ende 2021 zogen sich die teilnehmenden Bundesministerien aus dem Verein zurück und beendeten derart auch die Mitgliedschaft des Bundes.

Geschäftstätigkeit

Die wirtschaftliche Lage der AEI war maßgeblich von der Anzahl und der Art der abgewickelten Projekte abhängig. In den Jahren 2017 bis 2021 erhielt die AEI finanzielle Mittel in Höhe von zumindest 32,63 Millionen Euro. Die beiden größten öffent­lichen Mittelgeber waren mit 19,32 Millionen Euro die Europäische Kommission und mit 4,26 Millionen Euro das Innenministerium. Die Projekte konnten für die AEI durch verrechenbare Dienstleistungen ertragreich (wie bei den Twinning-Projekten) oder kaum kostendeckend (wie bei den Projektassistenzleistungen für das Innenministerium) sein. Letztere nahmen im überprüften Zeitraum zu.

Infolge der Statutenänderung im Mai 2021 entzog die Europäische Kommission der AEI GmbH im August 2022 die Mandatierung für Twinning-Projekte. Damit konnte die AEI die für sie ertragreichen Twinning-Projekte nicht mehr durchführen.

Buchführung

Die Buchführung der AEI wies Mängel auf: Buchhaltungsunterlagen (etwa bei Leistungsverrechnungen zwischen Verein und GmbH) waren nicht durchgängig nachvollziehbar und Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung teilweise verletzt. Bei Auszahlungen und Buchungen ohne Beleg waren zum Beispiel weder die Grundlage noch der Verwendungszweck nachvollziehbar.

Insolvenz der AEI GmbH

Im Frühjahr 2022 nahm die Staatsanwaltschaft Wien strafrechtliche Ermittlungen gegen juristische und natürliche Personen im Umfeld der AEI auf. Im Oktober 2022 erfolgte die Insolvenzanmeldung der AEI GmbH, die seit 2018 die operativen Geschäfte führte und deren negatives Eigenkapital bis 2021 auf 1,12 Millionen Euro angestiegen war. Die Insolvenzanmeldung bewirkte, dass die Europäische Kommission zuvor suspendierte Projekte abbrach und im Insolvenzverfahren Forderungen in Höhe von rund 9,72 Millionen Euro anmeldete. Die gesamten Forderungen gegenüber der AEI GmbH beliefen sich auf rund 10,98 Millionen Euro. Sowohl die strafrechtlichen Ermittlungen als auch das Insolvenzverfahren waren im Frühjahr 2025 noch nicht abgeschlossen.

Das Innenministerium, das zuletzt als einziges Ressort mit der AEI GmbH Projekte abwickelte, richtete bis Ende Februar 2025 keine Forderungen im Zuge des Insolvenzverfahrens an die AEI GmbH. Es musste zunächst für eine allfällige Anmeldung von Forderungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens die relevanten finanziellen Informationen zum Status der Projekte beziehungsweise die Endabrechnungen offener Projekte erheben.

Was ist zu tun

Die überprüften Bundesministerien sollten in ihrem Einflussbereich Unternehmen in der Rechtsform eines Vereins identifizieren und sicherstellen, dass Informationsdefizite über deren Gebarung und Geschäftstätigkeit zumindest durch ein Monitoring im Rahmen einer Beteiligungsverwaltung ausgeschlossen werden können. Falls die wirtschaftliche Lage dieser Vereine es erfordert, zum Beispiel bei einem periodenübergreifend negativen Eigenkapital, wären sie im Sinne eines Beteiligungsmanagements aktiv zu steuern und zu kontrollieren.

Zentrale Empfehlungen

  1. Bundesministerium für Finanzen; Bundesministerium für Inneres; Bundesministerium für Landesverteidigung; Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz; Bundesministerium für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport; Bundesministerium für Innovation, Mobilität und Infrastruktur: Es wäre grundsätzlich sicherzustellen, dass ausgelagerte Tätigkeiten nur mit gleichermaßen sparsamen und zweckmäßigen sowie steuer- und kontrollierbaren unternehmerischen Organisationsformen wahrgenommen werden.
  2. Vereine im Einflussbereich des Bundes wären zu identifizieren und zu kategorisieren.
  3. Die Kategorisierung der identifizierten Vereine im Einflussbereich des Bundes sollte unter Einbeziehung allfälliger statutarischer Mitgliederrechte des Bundes beziehungsweise der Bundesministerien, einer allfälligen finanziellen oder organisatorischen Beherrschung durch den Bund beziehungsweise die Bundesministerien, der Umsatzgröße dieser Vereine (mehr als 300.000 Euro im Sinne des Bundes-Public Corporate Governance Kodex 2017), der Anzahl der Bediensteten (mehr als zehn im Sinne des Bundes-Public Corporate Governance Kodex 2017) und insbesondere unter Berücksichtigung allfällig bestehender Tochtergesellschaften erfolgen. Liegen diese Voraussetzungen vor, wären diese Vereine in einer Beteiligungsverwaltung zu erfassen und zumindest anhand der Jahres- bzw. Rechnungsabschlüsse zu monitoren.
  4. Unternehmen in der Rechtsform eines Vereins wären im Rahmen eines Beteiligungsmanagements jedenfalls dann aktiv zu steuern und zu kontrollieren, wenn ihre wirtschaftliche Lage dies erfordert, zum Beispiel bei einem periodenübergreifend negativen Eigenkapital.
  5. Bei der Ausübung von ressortübergreifenden Mitgliederrechten des Bundes in Vereinen sollten sich die Ministerien abstimmen. Insbesondere im Hinblick auf die unionsrechtlichen und haushaltsrechtlichen Verpflichtungen sollte dies angestrebt werden.
  6. Bundesministerium für Finanzen; Bundesministerium für Inneres: Die Ministerien sollten eine vollständige Übersicht über die Projektaktivitäten ihrer Dienststellen führen, zentral verwalten und ihre Aktualität sicherstellen. Diese Übersicht sollte zumindest Informationen zu Projekttitel, Projektpartner, Projektzielen, Projektvolumen, Projektfinanzierung, zur geplanten Projektlaufzeit, zum Projektfortschritt sowie den Budgetstatus enthalten.


pdf Datei: 
7,420.8 KB
Umfang: 
176 Seiten

Bericht: Agentur für Europäische Integration und wirtschaftliche Entwicklung und die Rolle der Bundesministerien

Der Rechnungshof überprüfte die Gebarung des Vereins Agentur für Europäische Integration und wirtschaftliche Entwicklung sowie der gleichnamigen GmbH im Alleineigentum des Vereins. Diese Sonderprüfung hatte die Bundesministerin für Landesverteidigung gemäß § 1 Abs. 4 Rechnungshofgesetz 1948 durch ein begründetes Ersuchen am 27. April 2022 initiiert. Prüfungsziel war die Beurteilung der wirtschaftlichen Entwicklung der AEI, der Rolle der Bundesministerien als stimmberechtigte Teilnehmer in den Gremien des Vereins und als Projektbeteiligte sowie der daraus resultierenden wirtschaftlichen Risiken für den Bund. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2017 bis 2022.

Bericht: Agentur für Europäische Integration und wirtschaftliche Entwicklung und die Rolle der Bundesministerien Herunterladen