Vertrauenswürdige KI in der Bundesverwaltung: Ethische Standards stärken

Die öffentliche Verwaltung trägt eine besondere Verantwortung beim Einsatz von KI, denn sie verfügt über umfangreiche Daten, zu deren Schutz sie verpflichtet ist. Zudem besteht das Risiko von Vertrauens- und Akzeptanzproblemen der Bürgerinnen und Bürger durch mangelhafte Rechenschaftspflichten, Transparenz und Nachvollziehbarkeit beim Einsatz von KI-Systemen. In seinem heute vorgelegten Bericht „Künstliche Intelligenz in der Bundesverwaltung“ hat der Rechnungshof unter anderem die Vorgaben für den Einsatz von KI in der Bundesverwaltung geprüft – und zwar im Bundeskanzleramt, im Finanzministerium, im vormaligen Klimaschutzministerium, im vormaligen Beamtenministerium sowie im Bundesrechenzentrum Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BRZ). Bei bereits im Einsatz befindlichen KI-Anwendungen vermisst der Rechnungshof vielfach entsprechende Risikoklassifikationen und die Anwendung KI-spezifischer Standards. Ein Gesamtüberblick über alle KI-Anwendungen im Bund fehlte. Prüfungszeitraum sind im Wesentlichen die Jahre 2021 bis 2023.
Mit Stand Juni 2024 waren 35 KI-Anwendungen und KI-Projekte in den vier überprüften Bundesministerien im Einsatz. Aufgrund der sehr dynamischen Entwicklung von KI werden ihre Anwendungsbereiche zukünftig noch weiter ausgedehnt werden.
Das Bundeskanzleramt nutzte etwa eine KI zur Bildverarbeitung, das Finanzministerium setzte KI vor allem im Bereich „Predictive Analysis“ ein – ein Verfahren, das sich historischer Daten bedient, um zukünftige Ereignisse mittels mathematischer Modelle vorherzusagen. Im vormaligen Klimaschutzministerium kam KI im Zusammenhang mit der Abwicklung des Klimabonus zum Einsatz und das Beamtenministerium startete 2024 in Zusammenarbeit mit dem Sozialministerium das KI-Projekt „Ressort-Chatbot zur erleichterten Informationsbeschaffung“.
Bei den entsprechenden Anwendungsbeschreibungen der Ministerien vermisste der Rechnungshof vielfach Risikoklassifikationen, KI-spezifische Zertifizierungen beziehungsweise Standards sowie die Berücksichtigung des vom Beamtenministerium entwickelten Leitfadens „Digitale Verwaltung und Ethik“.
Der Rechnungshof empfiehlt daher, für die Projektierung beziehungsweise Implementierung von KI-Anwendungen die Entwicklung eines Standardvorgehens voranzutreiben und Kooperation zu fördern. Besonders geachtet werden sollte auf KI-spezifische Risikobewertungen, die Etablierung KI-spezifischer Standards und Zertifizierungen, die Anwendung KI-spezifischer Entwicklungs- und Lebenszyklusmodelle sowie die Umsetzung vertrauensschaffender Prinzipien.
Umsetzung des AI Acts rechtzeitig vorbereiten
Dem AI Act der EU kam – auch mangels nationaler Rechtsvorschriften zum Einsatz von KI – hierzulande die größte Bedeutung zu. Er trat im August 2024 in Kraft und war unmittelbar wirksam, wobei einzelne Regelungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten Geltung erlangen werden.
Der AI Act überträgt Anbietern und Betreibern von KI-Systemen umfangreiche Verpflichtungen. Somit besteht Handlungsbedarf für alle öffentlichen Einrichtungen. Der Rechnungshof empfiehlt, sich auf die Anforderungen des AI Acts – insbesondere KI-Kompetenz, Risiko- und Qualitätsmanagement, Dokumentationspflichten, Transparenzpflichten, Ausschluss verbotener Praktiken – rechtzeitig vorzubereiten. Um Doppelgleisigkeiten und uneinheitliche Risikobeurteilungen zu vermeiden, sollen die entsprechenden Maßnahmen intensiv koordiniert werden.
Zuständigkeiten klar abgrenzen
Die Digitalisierungssektion im Bundeskanzleramt ist in Österreich für die im AI Act vorgegebenen nationalen Umsetzungsschritte zuständig. So hat beispielsweise jeder Mitgliedstaat bis August 2025 mindestens eine notifizierende Behörde – zur Überprüfung, Notifizierung und Überwachung von Konformitätsbewertungsstellen – und eine Marktüberwachungsbehörde zu benennen. Die Marktüberwachungsbehörde soll unter anderem Hochrisiko-KI-Systeme überwachen und die bis August 2026 einzurichtenden KI-Reallabore beaufsichtigen.
Die organisatorischen Strukturen im Zusammenhang mit dem AI Act sind komplex. Bereits bei der Konzeption der entsprechenden Behördenstruktur ist daher Vorsorge für die gesamtstaatliche Koordinierung zu treffen. Wichtig wäre etwa, dass Zuständigkeiten klar abgegrenzt werden.
Die Gefahr von Doppelgleisigkeiten sieht der Rechnungshof im Übrigen auch, weil zwar viele KI-Gremien eingerichtet wurden, eine Gesamtsteuerung auf Bundesebene jedoch bislang fehlte.
Verbindlichkeit des Ethik-Leitfadens stärken
Das Beamtenministerium veröffentlichte 2023 den unverbindlichen Praxis-Leitfaden „Digitale Verwaltung und Ethik“ zur Orientierung bei der Bewertung ethischer Fragestellungen im Zusammenhang mit KI. Der Rechnungshof empfiehlt, diesen Leitfaden nach einer Aktualisierung in den Ministerrat einzubringen. Dort wäre auf einen Beschluss hinzuwirken, wonach sich die Bundesministerien verpflichten, die Grundsätze vertrauenswürdiger KI einzuhalten und umzusetzen.
Vorgaben für Bedienstete zum Einsatz von KI fehlten größtenteils
Neben dem Einsatz interner KI-Anwendungen haben die überprüften Stellen den Umgang der Bediensteten mit frei zugänglichen KI-Anwendungen (etwa ChatGPT, Google Gemini, DeepL) im Dienstbetrieb zu regeln. Für die Bediensteten im Bundeskanzleramt, im Klimaschutzministerium, im Beamtenministerium sowie im BRZ wurden keine verpflichtenden Regelungen zum Umgang mit KI-basierten Anwendungen erlassen. Von den überprüften Stellen wies nur das damalige Klimaschutzministerium seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darauf hin, den Einsatz von KI-Anwendungen kenntlich zu machen.
Kompetenzaufbau beim Personal
Speziell für die Bearbeitung von KI-Themen ausgebildetes Personal setzte nur das Finanzministerium ein. Für die zukünftige Personalplanung erachtet der Rechnungshof die Rekrutierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit den nötigen KI-Fachkenntnissen als zentral, um die Herausforderungen auf diesem Gebiet bewältigen zu können. Zudem empfiehlt er, die Aus- und Weiterbildung der mit KI befassten Bediensteten weiter zu intensivieren und auf die laufend neuen Anforderungen anzupassen.
Presseinformation: Künstliche Intelligenz in der Bundesverwaltung
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- 106 Seiten
Bericht: Künstliche Intelligenz in der Bundesverwaltung
Der Rechnungshof überprüfte von März bis Juni 2024 den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Bundesverwaltung. Überprüfte Stellen waren das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium für Finanzen, das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport sowie die Bundesrechenzentrum Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Im Hinblick auf die am 1. April 2025 in Kraft getretene Novelle des Bundesministeriengesetzes richtet der Rechnungshof seine Empfehlungen an die nunmehr zuständigen Bundesministerien.
Ziel der Gebarungsüberprüfung war es, den Einsatz von KI in der Bundesverwaltung darzustellen und zu beurteilen. Dies betraf insbesondere
• die Rahmenbedingungen und Vorgaben,
• die organisatorischen Zuständigkeiten sowie Gremien und Einrichtungen,
• die Strategien und Leitlinien sowie
• die KI-Anwendungen in der Bundesverwaltung.
Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2021 bis 2023.