Regierungs- und Parteiarbeit auf Social Media deutlich trennen

19. April 2024 - Medieninhaberschaft der Accounts fallweise nicht eindeutig erkennbar

Bei der Öffentlichkeitsarbeit sind Regierungsaktivitäten von parteipolitischen oder persönlichen Social-Media-Aktivitäten zu trennen. Dies ist nicht immer der Fall, wie der Rechnungshof in seinem heute veröffentlichten Bericht „Social-Media-Accounts von Regierungsmitgliedern“ feststellt. Es ergeben sich Abgrenzungsfragen, die mit möglichen Interessenkonflikten verbunden sind. Geprüft wurde jeweils ein Regierungsmitglied von den 2022 im Parlament vertretenen Parteien. Da Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kabinette beziehungsweise der Büros der Regierungsmitglieder parteipolitische Social-Media-Accounts in vier von fünf Fällen mitbetreuten, wurden Ressourcen von Staat und politischen Parteien vermischt.

Der Rechnungshof empfiehlt, keine Ressourcen aus öffentlichen Mitteln für die Betreuung der Social-Media-Accounts von Regierungsmitgliedern, deren Medieninhaber eine politische Partei ist, einzusetzen. Der überprüfte Zeitraum umfasste Jänner 2020 bis Juni 2022.

Keine öffentlichen Ressourcen für Parteiarbeit

Der Rechnungshof hat Social-Media-Accounts von ausgewählten Regierungsmitgliedern überprüft - konkret im Bundeskanzleramt von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport von Vizekanzler Werner Kogler (Die Grünen), im Land Burgenland von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ), im Land Oberösterreich von Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ) sowie bei der Stadt Wien von Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS).

Wenn Bedienstete öffentlich-rechtlicher Körperschaften parteipolitische Accounts mitbetreuen, vermischen sich die Bereiche der Regierungs- und Parteiarbeit. Der Rechnungshof sieht derartige Überschneidungen im Sinne der Transparenz und des Parteiengesetzes als problematisch an, da Personal- und/oder Sachressourcen des Staates genutzt werden und die politische Partei diese Kosten der öffentlich- rechtlichen Körperschaft nicht rückerstattet. Dieses Problem besteht während aktiver Amtsausübung bis zum Ausscheiden aus dem Amt, weshalb es dabei klarer Regelungen bedarf.
Der Rechnungshof stellte kritisch fest, dass bei vier der fünf überprüften Stellen (Bundeskanzleramt, Kulturministerium, Land Burgenland und Stadt Wien) die Accounts durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kabinette beziehungsweise der Büros der Regierungsmitglieder mitbetreut wurden, also durch Bedienstete öffentlich-rechtlicher Körperschaften.

Im Land Burgenland betreute ausschließlich das Büro des Landeshauptmanns dessen Accounts. Im Bundeskanzleramt, im Kulturministerium und bei der Stadt Wien betreuten sowohl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kabinette oder der Büros der Regierungsmitglieder als auch die jeweilige Partei die Accounts. Zudem betreute der Vizebürgermeister der Stadt Wien zwei seiner Accounts selbst.

Anhand der Postings war nicht ersichtlich, ob Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der überprüften Stellen oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der jeweiligen politischen Parteien die Inhalte erstellt, bearbeitet beziehungsweise veröffentlicht hatten. Da es sich bei Ersteren um Ressourcen von öffentlich-rechtlichen Körperschaften handelt, ist dies im Hinblick auf mögliche unzulässige Spenden problematisch. Denn: Politische Parteien dürfen gemäß Parteiengesetz keine Spenden von öffentlich- rechtlichen Körperschaften – wie den überprüften Stellen – annehmen.

Das Land Oberösterreich teilte im Rahmen der Prüfung wiederholt mit, dass keine Mitarbeiterin beziehungsweise kein Mitarbeiter des Büros des Landeshauptmann- Stellvertreters an der Erstellung von Beiträgen für dessen Accounts beteiligt sei.

Der Rechnungshof empfiehlt, für die Mitbetreuung von Social-Media-Accounts von Regierungsmitgliedern, deren Medieninhaber eine politische Partei ist, keine Ressourcen aus öffentlichen Mitteln einzusetzen.

Medieninhaber mitunter schwer zu finden

Wesentlich ist, wer bei den Social-Media-Accounts der ausgewählten Regierungsmitglieder als Medieninhaber aufscheint. Für durchschnittliche Social-Media- Nutzerinnen und Nutzer war das jedoch nur beim Account des Vizekanzlers klar ersichtlich.

Die Medieninhaberschaft war auf den Accounts der ausgewählten Regierungsmitglieder unterschiedlich angegeben, teils auf der Startseite, teils über eindeutige Verlinkungen. Mitunter war es aber für durchschnittliche Social-Media-Nutzerinnen und Nutzer nicht beziehungsweise nicht leicht und unmittelbar möglich, Informationen zum Medieninhaber ausfindig zu machen:

So waren zum Beispiel die Medieninhaberschaften der TikTok-Accounts des Bundeskanzlers und des oberösterreichischen Landeshauptmann-Stellvertreters anhand der Account-Informationen nicht ermittelbar. Bei vier Accounts des Wiener Vizebürgermeisters war nicht klar ersichtlich, ob die Stadt Wien oder Wiederkehr selbst als Privatperson Medieninhaber war.

Der Instagram-Account des burgenländischen Landeshauptmanns Doskozil verlinkte seit Anfang Dezember 2022 zum Land Burgenland; bis dahin war die Inhaberschaft auf dem Account nicht klar ersichtlich gewesen. Der Facebook- Account des burgenländischen Landeshauptmanns war bis September 2022 zu seiner persönlichen Website verlinkt, auf der im Impressum beziehungsweise als Kontakt die politische Partei (SPÖ) angeführt war. Erst im Zuge der Prüfung durch den Rechnungshof wurde auf das Land Burgenland verlinkt.

Der Rechnungshof empfiehlt dem Bundeskanzleramt, den Ländern Burgenland und Oberösterreich sowie der Stadt Wien, im Sinne der Transparenz darauf hinzuwirken, dass der Medieninhaber von Social-Media-Accounts von Regierungsmitgliedern leicht und unmittelbar auffindbar ist.

Schriftliche Vorgaben zur Trennung zwischen Regierungsinformation und Parteiwerbung

Der Rechnungshof stellte fest, dass das Kulturministerium und das Land Burgenland die Trennung von Regierungs- und Parteiarbeit nicht schriftlich geregelt hatten. Das Land verwies diesbezüglich auf die Compliance-Richtlinien und Dienstvorschriften des Landes Burgenland. Darin war das Thema jedoch nicht geregelt.

Den für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlichen Stellen des Bundeskanzleramts und des Kulturministeriums waren die im Ministerrat beschlossenen „Richtlinien für die Öffentlichkeitsarbeit und Informationsmaßnahmen der Bundesregierung und Bundesministerien“ nicht bekannt. Unter anderem ist darin festgehalten, die Öffentlichkeitsarbeit und die Informationsmaßnahmen generell so zu gestalten, dass sie „bei Bürgerinnen und Bürgern den Eindruck einer werbenden Einflussnahme zugunsten einer politischen Partei vermeiden.“

Die Stadt Wien wies in ihren Richtlinien die damit beauftragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an, Postings und Kommentare politisch neutral zu formulieren und Postings sowie Kommentare mit Wahlwerbung und Werbung für politische Parteien zu löschen.
Im Land Oberösterreich war die Trennung zwischen Regierungsinformation und Parteiwerbung deutlich geregelt und transparent festgehalten.

Blick nach Deutschland: Chancengleichheit der politischen Parteien

In seinem Bericht verweist der Rechnungshof auch auf die Vorgangsweise Deutschlands bezüglich regierungsamtlicher Öffentlichkeitsarbeit. Dort gelten die vom deutschen Bundesverfassungsgericht und vom Bundespresseamt erlassenen Leitsätze für zulässige Öffentlichkeitsarbeit auch für die Sozialen Medien. Denen zufolge sind etwa das Neutralitätsgebot und das Recht auf Chancengleichheit der politischen Parteien zu beachten. So darf die Regierung Öffentlichkeitsarbeit nicht nutzen, um Regierungsparteien zu unterstützen und Oppositionsparteien dürfen nicht verunglimpft werden. Außerdem muss sichergestellt sein, dass ein Rückgriff auf die mit dem Regierungsamt verbundenen Mittel und Möglichkeiten, die den politischen Wettbewerbern verschlossen sind, unterbleibt.

Der deutsche Bundeskanzler hatte daher einerseits Social-Media-Accounts für seine Tätigkeit als Regierungsmitglied. Medieninhaber dieser Accounts war das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Daneben bestanden andererseits separate parteipolitische Accounts des Bundeskanzlers, deren Medieninhaber die Partei war.

Presseinformation: Social-Media-Accounts von Regierungsmitgliedern


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Umfang: 
72 Seiten

Bericht: Social-Media-Accounts von Regierungsmitgliedern

Der Rechnungshof überprüfte von August bis Dezember 2022 Social-Media-Accounts von ausgewählten Regierungsmitgliedern im Bundeskanzleramt, im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, in den Ländern Burgenland und Oberösterreich sowie in der Stadt Wien. Prüfungsziele waren die Beurteilung der rechtlichen, organisatorischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bei der Betreuung von Social-Media-Accounts sowie die Beurteilung, ob eine Trennung zwischen Regierungs- und Parteiarbeit vorlag. Der überprüfte Zeitraum reichte von Jänner 2020 bis Juni 2022.

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