Obdach Wien soll neue Angebote für Wohnungslose schaffen

08. März 2024 – Gesetzliche Grundlage für behördliche Aufsicht fehlt

Die Obdach Wien gemeinnützige GmbH ist eine der größten Organisationen im Rahmen der Wiener Wohnungslosenhilfe. Sie bietet unterschiedliche Leistungen für obdach- und wohnungslose Personen an, beispielsweise Beratung und Betreuung sowie Aufenthalts-, Schlaf- und Wohnplätze. Dafür gewährt der Fonds Soziales Wien (FSW) Förderungen. In seinem Bericht „Obdach Wien gemeinnützige GmbH“ sieht der Rechnungshof Handlungspotenzial, insbesondere bei den rechtlichen Rahmenbedingungen und bei der zukünftigen Ausrichtung und Gestaltung bestehender Angebote.

Im überprüften Zeitraum befand sich die Wiener Wohnungslosenhilfe im Prozess eines Strategiewechsels. Dieser orientierte sich am Modell Housing First („Wohnen zuerst“), mit dem Ansatz, obdach- oder wohnungslose Personen sofort in einer eigenen Wohnung unterzubringen. Die Obdach Wien stellte im Unterschied zu anderen Trägerorganisationen bis zur Zeit der Rechnungshof-Prüfung keine spezifischen Angebote von Housing First bereit. Housing-First-Angebote können beispielsweise besser geeignet sein, den Bedürfnissen von obdach- und wohnungslosen Frauen zu entsprechen als andere Konzepte: Der Frauenanteil ist bei diesen Angeboten höher.

Der Rechnungshof weist darauf hin, dass sich in der Wiener Wohnungslosenhilfe nach einer Änderung der Rechtslage eine Kontrolllücke aufgetan hat. Dadurch gab es keine Aufsicht mehr über (sicherheits-)technische, organisatorische, personelle und hygienische Erfordernisse. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2019 bis 2022.

Gesetzliche Grundlage für behördliche Aufsicht schaffen

Mit einem Marktanteil von 25 Prozent im Jahr 2021 ist die Obdach Wien eine der größten Trägerorganisationen im Bereich der Wohnungslosenhilfe. Sie ist ein Tochterunternehmen des FSW und nicht gewinnorientiert. Im Jahr 2022 betreute sie 7.637 obdach- und wohnungslose Personen und betrieb Einrichtungen, wie zum Beispiel Tageszentren, Notquartiere und Wärmestuben sowie Übergangswohnen und Sozial betreutes Wohnen.

Ob Häuser für Obdachlose den technischen, sicherheitstechnischen, organisatorischen, personellen und hygienischen Erfordernissen einer fachgerechten Sozialhilfe entsprechen, prüfte weder eine behördliche Stelle noch eine andere externe Kontrolleinrichtung. Der Grund: Gestützt auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien zum Anwendungsbereich des Wiener Sozialhilfegesetzes stellte die Magistratsabteilung 40 (MA 40) die behördliche Aufsicht über Häuser für Obdachlose im Laufe des Jahres 2021 ein. Die MA 40 stellte beispielsweise im Jahr 2018 bei 67 Prozent ihrer Kontrollen insgesamt 31 Mängel fest. Im Jahr 2022: keine Kontrollen, keine Mängel. Der Rechnungshof empfiehlt der Stadt Wien, auf eine gesetzliche Grundlage für die behördliche Aufsicht über Einrichtungen für obdach- und wohnungslose Personen hinzuwirken.

Frauenanteil bei Housing First höher als bei anderen Angeboten

Der FSW erfasste im überprüften Zeitraum jährlich zwischen 12.373 und 12.591 obdach- oder wohnungslose Nutzerinnen und Nutzer. Der Anteil der Männer war deutlich höher als der Anteil der Frauen; im Jahr 2021 lag zum Beispiel der Frauenanteil bei allen Angeboten der Wiener Wohnungslosenhilfe bei 35 Prozent. Bei Housing-First-Angeboten lag der Frauenanteil bei 50 Prozent. Housing-First- Angebote könnten daher besser als andere Konzepte der Wiener Wohnungslosenhilfe geeignet sein, den speziellen Bedürfnissen von obdach- und wohnungslosen Frauen zu entsprechen.

Der Rechnungshof empfiehlt dem FSW, die Effektivität von Housing- First-Angeboten bei Frauen zu erheben. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen für eine Anpassung der Angebote der Obdach Wien genutzt werden. Denn die Obdach Wien stellte im Unterschied zu anderen Trägerorganisationen bis zur Zeit der Rechnungshof-Prüfung keine spezifischen Angebote von Housing First bereit, obwohl dieser Ansatz ein zentrales Element der neuen Strategie der Wiener Wohnungslosenhilfe ist.

Durchgehend negative Jahresergebnisse

Im Jahr 2022 betrugen die Gesamtaufwendungen der Obdach Wien 34,61 Millionen Euro, die Gesamterlöse 34,41 Millionen Euro. Die Obdach Wien wies in den Jahren 2018 bis 2022 durchgehend negative Jahresergebnisse aus. Ursachen für die Verluste waren unter anderem die verspäteten Zusagen der Tarife und nicht bezahlte Nutzungsentgelte. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung der Obdach Wien sind rechtzeitig Maßnahmen zu setzen, um die wirtschaftliche Lage zu stabilisieren, empfiehlt der Rechnungshof. Der aufgezeigte operative Verbesserungsbedarf, etwa bei der Durchführung des Mahnwesens, ist umzusetzen.

Der Rechnungshof kritisiert, dass die Obdach Wien beispielsweise im Jahr 2022 Forderungen von 1,71 Millionen Euro aufgrund nicht geleisteter Nutzungsentgelte aufwies und rund 439.000 Euro abschrieb. Er verkennt nicht, dass der Bereich der Wohnungslosenhilfe ein unterstes soziales Netz darstellt und Maßnahmen, die zum Wohnplatzverlust führen können, nur sehr selektiv anzuwenden sind. In ihren eigenen Handlungsanweisungen wertet die Obdach Wien jedoch das regelmäßige und zeitgerechte Zahlen der Nutzungsentgelte während der Betreuung als wesentlich, um den Umgang mit regelmäßig zu leistenden Zahlungen zu erlernen – und als wichtigen Aspekt des eigenständigen Wohnens.


Presseinformation: Obdach Wien gemeinnützige GmbH


pdf Datei: 
2,922.1 KB
Umfang: 
84 Seiten

Bericht: Obdach Wien gemeinnützige GmbH

Der Rechnungshof überprüfte von November 2022 bis April 2023 die Obdach Wien gemeinnützige GmbH und deren Alleineigentümer, den Fonds Soziales Wien. Ziel der Gebarungsüberprüfung war es, die Aufgaben, Organisation und Organe sowie die finanzielle Lage der Obdach Wien gemeinnützige GmbH zu beurteilen. Zudem analysierte der Rechnungshof die Rechtsgrundlagen und Angebote der Obdach Wien gemeinnützige GmbH. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2019 bis 2022, einzelne Feststellungen betrafen auch die Jahre 2018 und 2023.

Bericht: Obdach Wien gemeinnützige GmbH Herunterladen