Strategie und Internationalisierungsbestrebungen der ARE hinterfragenswert

01. März 2024 – Rechnungshof sieht bei mehr als drei Viertel der überprüften Empfehlungen nach wie vor Handlungsbedarf

Der Rechnungshof veröffentlichte heute die Follow-up-Überprüfung „ARE Austrian Real Estate GmbH (Konzern)". Er prüfte, ob zentrale Empfehlungen aus dem im Jahr 2019 veröffentlichten Bericht zur ARE umgesetzt wurden. Außerdem waren unter anderem die strategische Ausrichtung der ARE und die Auswahl von privaten Partnern Gegenstand der Prüfung. Insgesamt sieht der Rechnungshof bei mehr als drei Viertel der überprüften Empfehlungen nach wie vor Handlungsbedarf. Wegen Privatbeteiligungen unterlag rund ein Drittel der 122 Projektgesellschaften nicht der Kontrolle des Rechnungshofes. Der Rechnungshof sieht einen Widerspruch zwischen den strategischen Vorgaben des Eigentümers für die ARE – nämlich die Entwicklung in Richtung eines markt- und gewinnorientierten Unternehmens – und dem Ziel des Regierungsprogramms 2020–2024, den geförderten Wohnbau zu berücksichtigen. Und: Bei steigenden Risiken – Stichwort Preis- und Zinsentwicklung – sollte der ARE-Konzern seine Strategie anpassen. Prüfzeitraum waren im Wesentlichen die Jahre 2018 bis 2021.

Die ARE wurde im Jahr 2012 als Tochtergesellschaft der Bundesimmobilien gesellschaft (BIG) gegründet. Aufgabe der BIG ist, den Raumbedarf des Bundes zu bedienen. Ende 2021 war der Bund Eigentümer von Gebäuden und Bauten, insbesondere von Schulen, Justizanstalten, Kasernen und Botschaftsgebäuden. Verwaltet werden diese vom BIG-Konzern, aber auch von den jeweiligen Ministerien. Insgesamt verwaltet der BIG-Konzern Liegenschaften beziehungsweise Gebäude mit einem Verkehrswert von 14,885 Milliarden Euro.

Die BIG darf Liegenschaften an Tochtergesellschaften übertragen. Davon ausgenommen sind jene für Bildungszwecke und den Justizvollzug. Der ARE wurden marktgängige Liegenschaften, wie Büro- und Wohnimmobilien, übertragen. Sie bedient sowohl den Bund als auch Private mit Büro-, Gewerbe-, Entwicklungs- und Wohnungsliegenschaften. Der Gesellschaftsvertrag der ARE ermöglicht es, auch vom Markt zugekaufte Liegenschaften zu verwerten. Ein Ziel bei der Abspaltung der ARE im Jahr 2012 war, regelmäßige Gewinnausschüttungen an den Bund sicherzustellen.

Internationalisierungsbestrebungen der ARE

Ende Dezember 2021 war die ARE Development GmbH beziehungsweise der ARE-Konzern Alleineigentümer von 72 Projektgesellschaften und neben privaten Partnern Miteigentümer von 50 Projektgesellschaften. An 42 dieser 50 Projektgesellschaften war der ARE-Konzern mit weniger als 50 Prozent beteiligt. Rund ein Drittel der 122 Projektgesellschaften der ARE unterlag Ende 2021 nicht der Kontrolle des Rechnungshofes.

Prinzipiell soll der Bund Beteiligungen nur dann erwerben, wenn unter anderem einem wichtigen volkswirtschaftlichen Anliegen auf diesem Wege besser entsprochen werden kann. Für den Rechnungshof bleibt in diesem Zusammenhang offen, inwieweit dieses Aufgabenspektrum des ARE-Konzerns als Unternehmen des Bundes und der BIG einem wichtigen volkswirtschaftlichen Anliegen im Sinne des Bundeshaushaltsgesetzes 2013 diente. Als grundsätzlich hinterfragenswert erachtet der Rechnungshof die Internationalisierungsbestrebungen der ARE mit dem Ziel, neue Märkte insbesondere in Deutschland zu erschließen. Denn: Damit könnte sich die ARE von ihrer gesetzlichen Aufgabe – primär Raum für Bundeszwecke bereitzustellen und nicht mehr für Bundeszwecke benötigte Objekte zu verwerten – entfernen.

Immobilienprojekt „Vienna TwentyTwo“

Hinter dem Immobilienprojekt „Vienna TwentyTwo“ in Wien (Wohnungen, Büros, Hotel und Handelsflächen) stehen Projektgesellschaften, die nicht der Kontrolle des Rechnungshofes unterlagen. Der ARE-Konzern hielt an diesen Projektgesellschaften bis zu 49 Prozent, Unternehmen der Signa-Gruppe die restlichen Anteile. Der indirekte Mehrheitseigentümer der Projektgesellschaften stellte Ende Dezember 2023 einen Insolvenzantrag. In der Folge eröffnete das Handelsgericht Wien ein Insolvenzverfahren.
Der Rechnungshof fragte im Jänner 2024 bei der ARE an, welche Auswirkungen dieser Insolvenzantrag habe und welche Handlungserfordernisse daraus für die ARE beziehungsweise beim Projekt „Vienna TwentyTwo“ entstünden. Laut ARE würde die ARE Development alle Anteile am Projekt übernehmen und das Projekt eigenständig fortsetzen. Ein entsprechender Vertrag sei Ende Jänner 2024 unterzeichnet worden.

Konzentration auf frei finanzierten Wohnbau als Widerspruch zum Regierungsprogramm

Während das Finanzministerium ab Anfang 2018 die ARE noch als Unternehmen für die möglichst kostengünstige Bereitstellung von Liegenschaften für den Bund sah, lag sein Fokus ab Mitte 2018 auf der weiteren Entwicklung der ARE in Richtung eines markt- und gewinnorientierten Unternehmens und auf einer damit verbundenen Steigerung der Gewinnausschüttung.

Die Übertragung der Bundesanteile am BIG-Konzern an die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) im Jahr 2019 festigte die neue strategische Ausrichtung, zumal auch der gesetzliche Auftrag der ÖBAG die Wertsteigerung von Beteiligungen beinhaltet. Die ÖBAG schüttete im Jahr 2021 für das Geschäftsjahr 2020 einen Gewinn von insgesamt 520 Millionen Euro an den Bund aus, wovon 230 Millionen Euro – das sind 44 Prozent – aus dem BIG-Konzern stammten.

Das Finanzministerium und die ÖBAG sprachen sich insbesondere für eine Geschäftstätigkeit der ARE im frei finanzierten Wohnbau aus. Das Finanzministerium setzte sich – betreffend BIG und ARE – weder mit dem Ziel des Regierungsprogramms 2020–2024 (Schaffung von leistbarem Wohnraum) auseinander, noch prüfte es dessen Umsetzbarkeit. Der Rechnungshof sieht einen Widerspruch zwischen den strategischen Vorgaben des Eigentümers für die ARE, nämlich die Entwicklung in Richtung eines markt- und gewinnorientierten Unternehmens, und dem Ziel des Regierungsprogramms 2020–2024, den geförderten Wohnbau zu berücksichtigen.

Preis- und Zinsentwicklung als Risiken

Die Änderung des ARE-Portfolios zog im Zusammenhang mit der steigenden Preis- und Zinsentwicklung auch eine Änderung des Umfangs, der Art und der Intensität der Risiken nach sich.
Der Rechnungshof empfiehlt: Die BIG und die ARE  sollten vor dem Hintergrund der Preis- und Zinsentwicklung die zunehmende Bedeutung nicht-öffentlicher Projekte und deren Auswirkungen im Risikomanagement analysieren. Insbesondere bei steigenden Risiken wären die Strategie für den Konzern der ARE  und seine operativen Ziele anzupassen.

In-house-Vergabe war ungeklärt

Die ARE führte für den Bund Neu- und Zubauten sowie Sanierungen durch, die dem Vergaberecht unterliegen konnten. Eine Beauftragung der ARE ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens war über eine In-house-Vergabe unter bestimmten Bedingungen möglich. Aufgrund des Wachstumskurses der ARE durch steigende Umsätze aus Verträgen außerhalb des Bundes bestand zur Zeit der Vorprüfung das Risiko, dass der Bund die Möglichkeit der In-house-Vergabe an die ARE verliert. Er würde dann verstärkt auch Bauaufträge an private Unternehmen vergeben.
Bis zur Zeit der Follow-up-Überprüfung war weiterhin unklar, ob der Bund die Möglichkeit der In-house-Vergabe an die ARE bereits verloren hatte oder wann mit dem Verlust zu rechnen war. Der Rechnungshof empfahl dem Finanzministerium, die Prüfung der Auswirkungen eines möglichen Verlusts der In-house-Vergabe bei Aufträgen des Bundes an die ARE in Abstimmung mit der Finanzprokuratur zügig abzuschließen.

Das Finanzministerium teilte in seiner Stellungnahme mit, dass eine In-house-Vergabe voraussichtlich ab dem Jahr 2025 nicht mehr möglich sei.

Presseinformation: ARE Austrian Real Estate GmbH (Konzern); Follow-up-Überprüfung

pdf Datei: 
2,841.8 KB
Umfang: 
98 Seiten

ARE Austrian Real Estate GmbH (Konzern); Follow-up-Überprüfung

Der Rechnungshof überprüfte die Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H. und den dazugehören den ARE-Konzern sowie das Bundesministerium für Finanzen und die Österreichische Beteiligungs AG, um den Stand der Umsetzung von Empfehlungen aus seinem Vorbericht „ARE Austrian Real Estate GmbH (Konzern)“ (Reihe Bund 2019/10) zu beurteilen. Darüber hinaus überprüfte der Rechnungshof auch den Umgang mit (im Vorbericht) identifizierten wesentlichen Problemen bzw. Herausforderungen, etwa die strategische Ausrichtung der ARE oder ursprüngliche Überlegungen zum Verkauf der ARE.

ARE Austrian Real Estate GmbH (Konzern); Follow-up-Überprüfung Herunterladen