Transkript Podcast "Trust" – Staffel 2 / Episode 4: Corona und Kontrolle

27. Oktober 2021

"Trust" – Der Podcast aus dem Rechnungshof. Weit mehr als nur die Zahlen. Mit Margit Kraker, Präsidentin des Rechnungshofes.

Kraker: Ja, Herr Präsident, es freut mich sehr, dass Sie hier in Wien zu Gast sind im österreichischen Rechnungshof.

Scheller: Danke für die Einladung.

Kraker: Und, dass wir uns wieder einmal persönlich treffen können zu einem Austausch, wie es uns ergangen ist in dieser Krise. Und was wir als Rechnungshof so gemacht haben. Das würde mich interessieren und ich denke auch unsere Zuhörerinnen und Zuhörer.

Scheller: Vielen Dank! Ich bin wahnsinnig gerne wieder nach Wien gekommen. Ich glaube, wir sind uns das letzte Mal 2019 begegnet. Reichlich Austausch gehabt immer wieder und das ist eben auch wichtig für uns Finanzkontrolleure. Dass wir voneinander lernen und auch Wissen teilen, und jetzt in den letzten eineinhalb Jahren glaube ich, haben wir viele neue Erfahrungen auch gemacht, die wir uns vorher so ja gar nicht vorstellen konnten, weil das ganz neue Anforderungen waren an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Kraker: Und ich denke, das, was einen Staat betroffen hat, was die gesamte Gesellschaft betroffen hat, hat auch Rechnungshöfe betroffen. Wir mussten sofort reagieren. Das war die Herausforderung sozusagen. Auch in der Leitung eines Rechnungshofes. Weil man auf der einen Seite ging es um den Schutz der Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Prüferinnen und Prüfer. Und auf der anderen Seite ging es darum, sozusagen akkurat zu sein. Zur Stelle zu sein, wenn der Staat seine Staatsausgaben enorm in die Höhe treibt, weil er natürlich in der Krise helfen muss. Aber alles muss korrekt sein und alles muss auch wirksam sein, wie diese Mittel eingesetzt wurden. Und das war schon ein Spannungsfeld. Das war sozusagen in dieser.....in diesem Betreiben, in diesem Vorantreiben unserer Prüftätigkeit auch in der Änderung der Prüfprogramme oder Anpassung der Prüfprogramme für mich eine große Herausforderung. Ich denke aber, dass wir das zum Beispiel in Österreich gut geschafft haben, denn wir haben dann sofort im Frühjahr 2020 das Prüfprogramm angepasst und sind zu einem systematischen Konzept gekommen, wie wir die gesamten Hilfspakete dann auch einer Überprüfung unterziehen können, damit die Öffentlichkeit davon erfährt.

Scheller: Eine plötzliche Abbremsung oder Ausbremsung des Alltagslebens an einem Wochenende mit den Zahlen. Ich habe dann am Sonntag gesagt, ja, wir können Montag eigentlich nicht mehr alle zur Arbeit kommen. Das kann so nicht sein. Es darf nicht passieren, dass sich jemand ansteckt durch das "Sich-Begegnen" im Büro. Und dann haben wir das tatsächlich so gemacht, dass ich am Montag dann die Arbeit von zu Hause, die Heimarbeit angeordnet habe für alle Kolleginnen, Kollegen in Bonn, in Berlin und in Potsdam, wo der Bundesrechnungshof in Deutschland seine Büros hat. Und dann mussten wir ad hoc mit dieser Situation irgendwie fertig werden und klar kommen. Als Kommunikationsplattform – man kann ja jetzt nicht mit jedem telefonieren – haben wir unser Internet mit einer Plattform versehen, um zu kommunizieren. Ich habe mich dann mit Botschaften an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewandt, das immer wieder erklärt, wie man sich schützen muss, wie man eben arbeitsfähig bleibt. Rechnungskontrolle muss ja weitergehen. Der Bundeshaushalt muss eng begleitet werden. Was passiert da eigentlich? Welche großen Programme werden nötig. Das war die eine Richtung und dann natürlich der Gesundheitsschutz für die Prüferinnen und Prüfer und für ihre Familien. Insofern, glücklicherweise hat sich niemand im Dienstbetrieb angesteckt. Das waren so die beiden wichtigen Eckpunkte, die es zu erreichen gegolten hat.

Kraker: Die Rechnungshöfe haben sehr flexibel reagiert, was ja normalerweise gar nicht so ihre DNA ist. Rechnungshöfe prüfen entlang von Prüfprogrammen, von Plänen, die man lange zuvor macht. Und plötzlich muss man flexibler reagieren, und es hat auch dazu geführt, dass wir uns zeitgemäß weiterentwickelt haben, denn die Corona-Krise hat einen Digitalisierungsschub für uns alle gebracht – auch für den österreichischen Rechnungshof. Denn wir haben das gut geschafft, auch mit der Ausstattung. Wir sind ja alle das mobile Arbeiten gewöhnt, und das hat dann plötzlich für das ganze Haus gegolten, nicht nur für Prüferinnen und Prüfer. Da hatten wir große Fortschritte gemacht und da wird vieles auch bleiben. Eben sozusagen gewissermaßen hybrides Arbeiten und Arbeiten auch von zu Hause aus in mobiler Form. Dort, wo es möglich ist. Aber dann, jetzt wieder in der jetzigen Phase freue ich mich auch wieder auf die Teamarbeit im Haus. Denn Prüfen bedeutet auch, dass man sich zusammensetzt, dass man kreativ ist, dass man über den Tellerrand denkt und dass man sozusagen sich die Strukturen im Staat ganz genau anschaut. Da haben wir den Luxus als Rechnungshöfe, dass wir nachdenken können, und ich denke, dass das ein großer Luxus in der heutigen Zeit ist, und dass wir die Übersicht bewahren können. Und schließlich können wir dann auch Handlungsfelder identifizieren, die offen geblieben sind und ich denke, Sie haben da ja für den deutschen Bundesrechnungshof auch einiges identifiziert, was Sie glauben, was zu tun wäre im Staat?

Scheller: Oh ja. Wir haben viele, viele Prüfungsideen durch die Pandemie bekommen, durch den Verlauf, durch die Anforderungen an Staat und Verwaltung, im Gesundheitswesen zum Beispiel. Bei der Gesundheitsversorgung da haben wir die Regierung eng begleitet. Es ging ja darum, die Arztpraxen und Krankenhäuser mit Masken zu versorgen in dieser angespannten Zeit. Da ist es tatsächlich in Deutschland zu einer Überversorgung gekommen. Der Bedarf war auf 400 Millionen Masken taxiert worden, und 5,8 Milliarden sind dann beschafft worden, in verschiedenen Verfahren unter Einführung des Gesundheitsministeriums. Ja, da gab es auch viele Rätsel dann, wieso diese Menge? Ist das gar nicht gesteuert worden? Wieso bestellt man über einen Bedarf für Krankenhäuser und Arztpraxen hinaus? Das ist so ein Beispiel gewesen. Wir haben ja natürlich in einer Krankenhausversorgung bei den Intensivbetten Ziele gehabt. Viele Betten auch zur Verfügung zu halten für die Corona-Erkrankten und auch hier ist es so, dass sehr viel Geld aufgewendet worden ist, wo nicht immer plausibel nachgewiesen ist, ob das auch notwendig war. Aber das ist eben auch einer Krise geschuldet, wo ja auch die Verwaltung keine Blaupause hat und an meinen Worten gerade aus der auch Kritik heraus spricht, merkt man schon, was eben Rechnungsprüfung, was Finanzkontrolle eben macht. Wir suchen danach, ob tatsächlich Ziele wirksam angesteuert worden sind, ob man sich wirtschaftlich und sparsam verhalten hat und die Regeln eingehalten hat. Und das war natürlich auch im Verlauf der Corona-Krise nicht überall der Fall. In Deutschland sind sehr, sehr viele Milliarden für wirtschaftliche Hilfe, für die Stabilisierung der Wirtschaft zur Verfügung gestellt worden, und das ist auch ein Schwerpunkt unserer prüferischen Begleitung. Viele Erkenntnisse haben wir auch schon abgeliefert. Wir haben Fahrgeldausfälle im ÖPNV aus dem Bundeshaushalt sozusagen bestritten, die eigentlich die Länder finanzieren müssten und dann festgestellt, dass die Bundesländer, die das bei uns verantworten, aus dem Bundeshaushalt sehr viel Geld noch zusätzlich bekommen haben, obwohl noch vier Milliarden da waren, die man eigentlich hätte erstmals verwenden können. Solche Dinge passieren und ja, das waren also einige prüferische Schwerpunkte. Wir haben einen Bundeshaushalt, der völlig aus dem Leim geraten ist. Wir haben eine Kreditaufnahme in den Haushaltsjahren 2021/2022 von fast einer halben Billion Euro. Also 470 Milliarden sind es. Das ist fast soviel, wie die Bundesrepublik Deutschland in siebzig einzelnen Haushaltsjahren an Kreditfinanzierung gebraucht hat, an Schulden aufgenommen hat. Und ist natürlich eine Hypothek auf die Zukunft für die nächste Generation, weil die Handlungsspielräume in der Zukunft dadurch natürlich geringer werden. Und die Analyse der finanzwirtschaftlichen Situation Deutschlands und darüber dann über unsere Ergebnisse auch zu berichten gegenüber den Bürgern, gegenüber dem Parlament, der Regierung ist ein wesentlicher Schwerpunkt, der jetzt auch ansteht.

Kraker: Für mich sieht das ähnlich aus, weil natürlich der Rechnungshof mit den Berichten, die wir jetzt öffentlich machen, mit unseren Corona-Berichten Transparenz und Rechenschaft herstellen können. Wir haben begonnen mit einer Prüfung, die sozusagen eine Auflistung ist der Struktur und des Umfangs der staatlichen Hilfsmaßnahmen und da eben von Bund und Ländern. Und es ist so, weil der österreichische Rechnungshof eben auch die Länder prüfen kann, und damit können wir eine gesamtstaatliche Sicht bieten. Es ist aber so, dass tatsächlich das Gros der Ausgaben der Bund geleistet hat. Die Länder haben Zusatzmittel zur Verfügung gestellt. Haben natürlich auch hier für Testungen etc. sehr viel Geld aufgewandt. Das wird aber wieder vom Bund refundiert. Auch Einnahmeausfälle auf Bundesebene wirken sich mittelbar auf die Länder aus, und da wird man sehen, wie das dann im österreichischen föderalen Staat tatsächlich abgewickelt wird. Da können wir eine Gesamtsicht herstellen, und wir haben in Österreich ein Instrument gehabt, im Budget, das nannte sich Krisenbewältigungsfonds und da wurden diese COVID-Massnahmen ausgabenseitig abgewickelt auf Bundesebene. So gesehen wurde das Geld wieder gelabelt, was positiv war, weil wir es damit nachverfolgen können. Aber es gab natürlich zusätzlich Ressortmittel. Was wichtig ist, ist, dass wir mit unseren Prüfungen der Hilfsmassnahmen – etwa im Härtefallfonds für die Unternehmen im Bereich der Kurzarbeit – uns anschauen möchten: Gab es Mitnahmeeffekte, gab es gelegentlich Überförderungen unter dem Titel und daher ist es schon spannend, was der Rechnungshof gesagt hat. Wir prüfen hier alle wesentlichen Ausgabenbereiche und der Rechnungshof ist auch...hat gewissermaßen in manchen Bereichen auch eine Alleinstellung. Denn wir können diese COVID-Finanzierungsagentur des Bundes prüfen, und da sind wir die einzigen, die hiezu in der Lage sind. Da kann niemand anderer hineinschauen, und wir schaffen hier Öffentlichkeit auch für den Nationalrat, denn das unterliegt nicht dem parlamentarischen Fragerecht.

Neben diesen Hilfsmaßnahmen, die ja für alle gesellschaftlichen Gruppen sind, sei es der künstlerische Bereich, Familienbereich, neben den Unternehmen, die ich schon genannt habe, geht es uns auch um das Gesundheitssystem insgesamt. Denn, COVID war eine Gesundheitskrise und da war eine ganz wesentliche Prüfung, die wir glauben, die auch für die Zukunft wichtig ist. Nämlich die Prüfung des Umgangs mit Gesundheitsdaten und der Verlässlichkeit von Daten. Wir haben die Prüfung noch nicht veröffentlicht, aber ich halte sie für wichtig. Denn oft werde ich gefragt, ja, der Rechnungshof kommt hinterher und weiß dann alles besser. Das ist nicht so, dass wir.....wir stellen klar, was war, und darauf hat jeder ein Anrecht. Wir wissen, dass man in der Krise rasch handeln muss, aber wir müssen dann auch sagen, wie es tatsächlich abgelaufen ist. Das ist unsere Verpflichtung als Rechnungshöfe. Einen Sachverhalt objektiv feststellen. Und daneben, wenn wir wissen, wie die Daten auf Basis derer, wie Entscheidungen getroffen wurden, auch zustande gekommen sind, dann können wir daraus Ableitungen machen. Auch für die nächste Krise. Die Verlässlichkeit von Daten ist ein generelles Problem. Ein generelles Problem, das uns auch in Zukunft begleiten wird in allen Feldern. Und ich glaube, dass wir hier nicht allein sind in Österreich. Aber ich glaube, dass wir hier uns mehr anstrengen müssen. Sozusagen anzuschauen, für welche Zwecke Daten erhoben werden, wie sie ausgewertet werden, und wie sie nicht doppelt und dreifach erhoben werden, und wie sie eine entsprechende Aussagekraft haben, dass es nicht zur Verunsicherung der Bevölkerung kommt. Ich denke, da haben wir eine Verpflichtung. Vielleicht schaffen wir es auch, dass Lehren aus der Krise gezogen werden.

Scheller: Die Qualität von Daten und überhaupt das zur Verfügung haben von Daten ist eben Grundlage für Krisenbewältigung und für einen guten Krisenmechanismus. Denn sonst weiß man ja gar nicht, welche Schlussfolgerungen zutreffend dann wären und kann sich leicht in eine schräge und falsche Entwicklung dann begeben. Deshalb ist es auch wichtig, dass ein Krisenmechanismus schafft, der auch die verschiedenen Verwaltungsebenen überreißt und zusammenbildet. Also die kommunale, die Länderebene, die Bundesebene und die Institutionen, die da zu Werke gehen. Die müssen miteinander gut kommunizieren, und da richtig kommunizieren und die richtigen Schlüsse ziehen. Und dazu brauchen sie die richtigen Daten. Wir hatten neben der Pandemie noch eine Hochwasserkatastrophe zu bekämpfen durch ein Starkregenaufkommen, der über Stunden und Tage ging in der Eifel. Was zu einer Überflutung des Ahrtals führte und der Ausläufer auch nach Nordrhein-Westfalen hin mit vielen Menschenopfern. Hier haben wir auch festgestellt, dass es da auf eine gute Kommunikation der Einsatzkräfte, die dann dort in das Tal müssen, um zu helfen, ankommt. Ich denke sowas.....da kann auch Digitales helfen, weil man ja solche Großschanze-Ereignisse dann auch den Einsatz üben kann und simulieren kann. Ja, das sind wichtige Erfahrungen in den letzten anderthalb, zwei Jahren. Und wenn wir – Sie – berichten über die gemachte Arbeit, dann kann man also sagen, dass wir doch als Institutionen durch die Krise gekommen sind. Da mussten sich die Prüferinnen und Prüfer auch gewaltig umstellen. Man konnte sich eben nicht ohne weiteres im Büro, im Team treffen oder Papier als Grundlage des Denkens sozusagen haben, sondern es musste irgendwie digital gestützt passieren. Gerade in der IT-Ausrüstung und der Digitalisierung, das war schon einigermaßen hoch in Bonn, weil wir eben mobil und ortsunabhängig vorher schon arbeiten mussten. Das war ein riesen Vorteil. Und so konnten dann auch sofort alle mit Notebooks ausgerüstet werden und inzwischen auch mit Smartphones, was natürlich die Kommunikation untereinander erheblich erleichtert hat. Aber da war auch wichtig, dass die Leiter der Teams eben auch, ja, eine gewisse Kommunikationsgabe haben. Man telefoniert, man arrangiert sich, familiäre Herausforderungen und Schulen geschlossen hat, Eltern und Familien vor enormen Herausforderungen gestellt. Da bin ich sehr dankbar, dass wir auch da flexibel sein konnten und das Flexible des Arbeitgebers haben wir auch auf der anderen Seite zurückbekommen durch viel gute Arbeit, muss ich sagen. Zu verschiedenen Stunden des Tages dann natürlich. So haben wir auch ganz neue Erfahrungen gemacht. Wie das Büro der Zukunft ist, wie die Arbeitswelt der Zukunft aussieht, und haben jetzt auch verschiedene, ja, Modelle des flexiblen Arbeitens ausgetestet, Erfahrungen gesammelt und von uns, 1.150, sind nahezu fast 700 in verschiedenen Modellen von Telearbeit, von Kombination von Heimarbeit und Büroarbeit jetzt, und es bringt auch Vorteile für die Familien. Wir hatten natürlich sogar ein.....wir tun etwas fürs Klima. Da werden Wege vermieden, die wir früher noch gefahren sind. Wir hinterlassen viel weniger CO2-Spur, wenn man so will. Wir haben auch Büroraum reduziert in der Phase. Das hat die Pandemie auch nochmal angeschoben. Also die Digitalisierung, über die Sie gerade erzählten, das ist eigentlich eine gute Erfahrung, und da wollen wir auch gerne weitermachen.

Kraker: Genau. Und da denke ich, dass wir uns als Rechnungshöfe fast ein bisschen leichter tun, weil wir mobiles Arbeiten gewöhnt sind. Weil wir hier eine gute technische Ausstattung haben. In manchen Bereichen der Verwaltung war es schwieriger. Also die Schulen mussten erst langsam, sozusagen, auf diesen digitalen Unterricht umgestellt werden. In vielen Bereichen der Verwaltung gab es nicht diese Ausstattung, sodass man auf private Geräte zurückgreifen musste. Das hat dann wieder Konsequenzen in Bezug auf die Risken, auf die IT-Sicherheit – auch das müssen wir bedenken. Daher denke ich mir, im öffentlichen Bereich wird sich vieles ändern und muss sich vieles ändern. Und da sind wir auch noch nicht am Ende der Fahnenstange, sondern wir müssen schauen, wie wir ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dislozierter Arbeit und Arbeit im Team schaffen. Das setzt neue Kommunikationsräume voraus. Das setzt voraus, dass wir anders zusammenkommen. Aber ich halte auch das Miteinander für notwendig, denn ich glaube, nur in der Gemeinschaft entsteht Kreativität und neuer Gedanke. Denn, sozusagen, einer allein kann viel wissen, aber weiß nicht alles. Und das würde ich für wichtig halten, auch für die Zukunft. Daran will ich eigentlich auch arbeiten. Und dass – glaube ich – dass im gesamten öffentlichen Bereich man hier auch umdenken muss. Wie können hier die Verwaltungsabläufe geändert werden im digitalen Zeitalter? Ich denke, die jüngere Generation ist das schon vom Studium her gewöhnt. Die lebt anders, die arbeitet anders. Und das muss jetzt hier auch in, sozusagen, gesettelten Strukturen Einzug halten, ohne dass wir Effizienzverluste haben. Denn es muss die Qualität der Leistung natürlich immer stimmen. Das ist wichtig, vielleicht wird sie sogar besser. Aber viele müssen wir auch mitnehmen auf diesen Weg.

Scheller: Rechnungshöfe müssen mit der Zeit gehen. Mit der Entwicklung, auch der Entwicklung in der Verwaltung. Natürlich müssen wir in der Lage sein, auch Vorgänge zu prüfen, die in der Verwaltung neue Herausforderungen auslösen. Wenn wir da den Einsatz von künstlicher Intelligenz zum Beispiel nehmen, die ja auch massiv in der Bundesverwaltung immer mehr zur Verwendung kommt, zum Beispiel bei uns in Deutschland bei der Bundesagentur für Arbeit. Und da müssen unsere Prüfer eben auch in der Lage sein, solche Vorgänge zu begleiten, nachzuvollziehen, zu durchdringen, und deshalb habe ich auch Datenanalysten eingestellt, die mit den Fachprüfern, sozusagen, die das profunde Wissen haben über die Institution, die geprüft wird, zusammengebunden sind, und dann prüfen können und nachvollziehen können. Das ist so etwas, wo natürlich viele Jüngere gefunden werden müssen. Wichtig ist es deshalb auch für uns, dass wir junge Prüferinnen und Prüfer überhaupt begeistern. Und wir brauchen  jedes Jahr eine bestimmte Anzahl, sonst würden wir völlig zusammenschrumpfen, weil wir natürlich sehr viele Kolleginnen und Kollegen auch haben, die in Pension gehen.

Kraker: Wir haben in Österreich ja auch Datenanalysten jetzt. Daran sieht man, dass Prüfen ein zunehmend arbeitsteiliger Prozess wird. Also, sozusagen, ein Bericht, ist eine Gesamtkomposition aus dem, der wirklich prüft, dem, der schreibt und dem, der analysiert und hier, sozusagen, dann sehr verständlich zu einem Ergebnis kommt. Denn das Wichtigste ist, dass Prüfungen ein Ergebnis bringen, das verständlich ist, das einen Mehrwert für die Politik darstellt, für die geprüften Stellen, sodass es dann auch zu einer Umsetzung kommt.

Was ich aber auch sagen will, im Zeitalter der Digitalisierung schaffen wir es ja vielleicht auch über die Staatsgrenzen hinweg gemeinsam einen Austausch zu machen, digital. Und hier kooperative Prüfungen zu ähnlich gelagerten Themen zu machen. Denn viele unserer Probleme sind ja auf EU-Ebene gegeben. Und sind ja zwischen verschiedenen EU-Staaten ähnlich gelagert. Wo ja das kleine Staatsgebiet Österreich vielleicht nicht ausreicht, um zum Beispiel Mehrwertsteuertransaktionen oder was auch immer, oder den Austausch von digitalen Dienstleistungen hier nur innerhalb Österreichs zu überprüfen. Und so gibt es viele Felder, wo wir ähnlich gelagerte Problemstellungen haben. Und da ermöglicht es vielleicht die Digitalisierung, dass wir auch näher aneinander heranrücken.

Scheller: Und da denke ich, ist ganz herausragend vor unseren Augen das große, riesengroße Programm das die EU jetzt aufgebaut hat, um die europäischen Volkswirtschaften zu stärken, wieder aufzubauen. Und auch Grundlagen zu legen und dieses Stabilisierungsprogramm muss ja jetzt umgelegt werden von den Regierungen, in Österreich, in Deutschland, in Italien, in Frankreich und überall im EU-27-Kreis. Und so werden wir dort auch mit dem europäischen Rechnungshof uns über Prüfungserkenntnisse austauschen wollen im nächsten Monat, in den nächsten Jahren. Und das halte ich angesichts dieses riesen Volumens von Geld ganz wichtig, um festzustellen, ob dieses Geld auch Wirkung hat und die Ziele erreicht werden, die die Politik beschlossen hat. Da ist es wichtig, dass die Verwaltung eben auch sich selber transparent machen, um eingreifen zu können wenn es nicht gut läuft. Na ja, das ist eine große Aufgabe. Und wir haben uns, Frau Präsidentin ja auch verabredet mit dem ERH zusammen und unseren Fachleuten, dass wir das uns anschauen werden und darüber uns eben austauschen, und das wollen wir, glaube ich, in ein paar Wochen auch virtuell machen, weil es anders noch nicht geht. Und ja, dass wir das überhaupt können, dass wir die Infrastruktur haben in unseren Rechnungshöfen, in unseren Büros, ist natürlich auch etwas, was wir uns vor drei Jahren vielleicht noch gar nicht hätten vorstellen können. Dass wir so virtuell im Bildschirmformat dann trotzdem so eine Sitzung eben abhalten können. Aber das haben ja auch viele Menschen in ihren Einrichtungen aufgebaut, insofern ist es ja nichts Besonderes, aber man kann es immer wieder feststellen. Wer hätte gedacht vor drei Jahren, zwei Jahren noch, dass wir sowas machen?

Kraker: Also im Kontaktausschuss werden wir dann besprechen, wie wir hier arbeitsteilig vorgehen zwischen den nationalen Rechnungshöfen und dem europäischen Rechnungshof, um dieses europäische Wiederaufbauprogramm in verschiedenen Etappen dann auch zu prüfen. Entlang der Projekte und ihrer Wirksamkeit. Aber ehrlich gesagt, freut es mich trotzdem, Herr Präsident, dass wir nicht nur virtuell uns sehen, sondern in Wirklichkeit, und dass wir hier zu einem persönlichen Gespräch zusammenkommen können.

Scheller: Vielen Dank und ich freue mich auch noch, viele Prüferinnen und Prüfer des Rechnungshofes Österreich wieder sehen zu können und sprechen zu können.

Kraker: Ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie an unserer Bildungskonferenz teilnehmen. Diese Bildungskonferenz soll ja auch, sozusagen, hier wieder ein Auftakt sein in eine neue Prüfperiode des Rechnungshofes, wo das Miteinander und der Dialog eine ganz große Rolle spielen.

Scheller: Fein.

Kraker: Danke für den Besuch!

Scheller: Sehr gerne Frau Präsidentin!

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